1. Reise: Die (mächtigen) Taarer TAARER

3. Kapitel

Der Erste Eindruck

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Als ich erwachte, fand ich mich auf meinem alten Liegemöbel wieder, den Kopf hoch gestützt und den Körper in einer Liegehaltung entspannt. Gliederschmerzen oder andere unangenehme Begleiterscheinungen eines Portaldurchgangs, auf die ein Bericht der /KKK hingewiesen hatte, verspürte ich nicht. Wahrscheinlich sind der /Kooperative diese Liegesäcke noch nicht bekannt gewesen.

Auf der großen Betrachtungsfläche meiner Unterkunft sah ich zum ersten Mal das System der Sonne 003-NANROC. Von der Sonne selber sah ich nur den Schein, so als würde hinter einem eine riesige Lichtquelle eingeschaltet. Der Portaldienst hatte den Raumpeiler in der Bahn des ersten Planeten herein gelassen und wir entfernten uns gerade von der Sonne. Ich war am Ziel meiner Reise. Sie hatte nur 68 erdeStunden gedauert und ich befand mich jetzt 216 lichtJahre von meiner Heimat entfernt. Übrigens hatte ich den Koffer mit den Spielzeugen der TAARER nicht einmal angesehen.

Der Raumpeiler flog in ein Sonnensystem hinein, in dem es Tausende von Planeten zu geben schien. Zumindest konnte man diesen Eindruck bekommen, wenn man die vielen Lichtpunkte auf der Betrachtungsfläche sah. Sie wurden durch die gelbweiße Sonne, die hinter uns lag zusätzlich noch angestrahlt. Alle diese Lichtpunkte stellten sich bei näherer Betrachtung als künstliche Himmelskörper heraus. Satelliten, mit den verschiedensten Größen und Formen, fast alle hell erleuchtet, oder doch heller als die hinter uns liegende Sonne. Hätte mein UKOM nicht einen kleinen, blassen Punkt als 003-006-NANROC bezeichnet, ich hätte nicht gewusst, wo in dieser Masse von Satelliten die eigentliche Hauptwelt zu finden gewesen währe.

Was mich aber noch mehr überraschte, ist der Verkehr gewesen der hier herrschte. Unüberschaubare Mengen von Lichtpunkten unterschiedlichster Größe und Farbe, strebten - wie bei einem Feuerwerk - von imaginären Mittelpunkten weg oder bewegten sich auf sie zu. Bei einer Vergrößerung dieser Mittelpunkte sah ich dann riesige Satellitenanlagen. Es gab welche die aus einzelnen Körpern zusammengesetzt erschienen, verbunden mit einem Netz von Röhren in den unterschiedlichsten Längen und Durchmessern. Große quadratische Platten mit verschiedenen Auf- und Unterbauten aber herrschten vor. Dieser Ort erschien mir damals wie eine Ansammlung von Satelliten, die nur zufällig um eine Sonne kreisten, die dann auch nur zufällig einige eigene, natürliche Planeten besaß. Wie nahe ich in diesem Augenblick den Realitäten kam, wurde mir erst einige erdeJahre später so richtig bewusst.

Der Raumpeiler hatte als Ziel natürlich nicht die Welt 003-006-NANROC, sondern einen Satelliten der INSORINE, der von ihnen hier als Austausch Stützpunkt genutzt wurde. Dieser Satellit bewegte sich in einer Bahn zwischen dem sechsten und siebenten Planeten um die Sonne 003-NANROC. Da er sich - von unserem Systemeingang ausgehend – nicht in unserer Flugrichtung befand, musste der Raumpeiler einige Gravopeilmanöver ausführen um ihn zu erreichen. So hatte ich Zeit, etwas von der betriebsamen Stimmung, die in diesem System herrschte, auf zu nehmen.

Wir kamen sogar in der Nähe von 003-006-NANROC vorbei, da er der sechste Planet dieses Systems ist. Es schien hier aber nicht üblich zu sein, einen Raumpeiler vor seinem Reiseziel zu verlassen. Ich war fast ein bisschen enttäuscht, weil es hier nicht soviel Betrieb gab wie auf verschiedenen Großsatelliten. Damals glaubte ich endlich zu verstehen, was ich mir unter dem Begriff Satellitenzivilisation vorstellen musste. Natürlich hatte ich mich vor meiner Reise - so gut es ging - auf das System 003-NANROC vorbereitet. So wusste ich, dass es zwischen den fast 40.000 Satellitenanlagen auch 11 natürliche Planeten gab. Zwei davon besaßen sogar eine für uns MENSCHEN Atembahre Atmosphäre.

Der fünfte Planet ist die zweite so genannten SSA - Sauerstoff /Stickstoff Atmosphäre - Welt gewesen und eine besondere noch dazu. Auf diesem Planeten sollten die TAARER ihren Nachwuchs "produzieren". Wenn es stimmt was Albert Shere /KKB /D1 angedeutete hatte, ist es eine von diesen 199 Reprowelten, die von ihnen überall in GAON eingerichtet worden sind. Diese Welt jedenfalls schützten sie besonders. Ich merkte es daran, das wir beim passieren seiner Bahn einen riesigen Bogen machen mussten. Wenigstens deutete ich die eingeblendeten Angaben auf der Betrachtungsfläche in meiner Unterkunft so.

Dann begann ein Lichtpunkt immer größer zu werden und dass ist endlich der INSORINE Satellit gewesen. Wir näherten uns einer Plattform mit quadratischem Grundriss. Auf den beiden großen Flächen stand jeweils eine flache Pyramide. Die Ausmaße dieses Satelliten mussten riesig sein. Eine Möglichkeit seine Größe zu schätzen hatte ich zwar nicht, aber die vielen Raumpeiler, die an den schmalen Seiten angelegt hatten, konnte ich nicht einmal zählen. Eine dieser schmalen Seiten der Platte war auch unser Ziel. Ich konnte noch einige freie Trichter erkennen, bevor irel-421-et meine Bertachtungsfläche auf die Zentrale umschaltete. Er stand wieder auf seiner Erhöhung und teilte uns mit, dass wir das Ziel der Reise erreicht hätten. Es seien bereits Pendler unterwegs, um jeden von uns zu seinem Ziel innerhalb des Systems zu bringen. Alle Betrachtungsflächen in der Zentrale sind wieder eingeschaltet gewesen und ich konnte auch fast alle Mitreisenden in ihren "Logen" sehen. Es folgte dann eine Verabschiedung, die sich vollkommen von meiner Vorstellung unterschied. Alle, auch der ORORE Enorel-oner-Devenor, winkten mir freundlich zu. Beim TOLK TERISON flirten die oberen Stacheln besonders heftig. In so kurzer Zeit - nur durch eine einzige Unterhaltung - sind sie mir alle doch etwas vertrauter geworden. Ich verspürte fast so etwas wie Wehmut, weil wir jetzt wieder auseinander gingen.

Vom /KIS Pärchen sah ich nichts. Sie hatten ihren Liegesack vor dem Portaldurchgang wohl nicht rechtzeitig erreicht. irel-421-et verließ seinen Sockel und es entstand an seiner Stelle die Abbildung von igen-450-re, so stellte er sich uns dann vor. Er sei der Leiter der Austausch Niederlassung der INSORINE hier im System 003-420-100-011-NANROC und er heiße uns auf seinem Satelliten willkommen. Ich stand bei der Begrüßung natürlich im Mittelpunkt. Trotzdem bekam ich auch etwas vom Verhältnis der beteiligten Personen untereinander mit.

Alleine die Reihenfolge der Begrüßung war für mich schon interessant genug. Nach dem igen-450-re mich überschwänglich offen und wirklich freundlich begrüßt hatte, wechselte er zu den beiden TAARERN. Er behandelt sie wie alte Bekannte. Alle drei winkelten die Arme vor ihrer Brust an und ließen sie kreisen. Die drei wechselten einige Begriffe, für die mein UKOM aber keine Übersetzung anbot. Bei der Begrüßung des OROREN hatte ich den Eindruck, dass es igen-450-re unangenehm war, sich überhaupt mit Enorel-oner-Devenor unterhalten zu müssen. Die beiden tauschten wirklich nur die absolut nötigsten Begrüßungsformeln aus - ein knappes Nicken mit dem Kopf und eine angedeutete Verbeugung. Schnell wechselte er zur ARILE, die er aber auch nur mit einem sehr knappen Kopfnicken bedachte und erst beim TOLK TERISON benahm er sich wieder wie ein aufmerksamer Gastgeber. Mein UKOM übersetzte nur einige seiner Gesten als besonders höfliches Interesse an irgendetwas. Es kam mir so vor, als führten die beiden schon irgendwelche Verhandlungen.

Die beiden TAARER, der ORORE und die ARILE verschwanden von ihren Betrachtungsflächen und auch ich konnte ihrem Gespräch nicht weiter folgen, weil jetzt irel-421-et meine Unterkunft betrat. Er wollte es sich nicht nehmen lassen, mich persönlich zum Pendler zu bringen. So also begrüßen sich alte GAON KORMA Mitglieder. Ich hatte wieder einige Besonderheiten in der Beziehung alter Weggefährten untereinander mitbekommen, zumal keine der beteiligten Personen sich die Mühe gemacht hatte, irgendetwas zu vertuschen. irel-421-et griff wieder nach meinen beiden Koffern und ging voraus. Ich hatte kaum Zeit, um mich bei ihm für seine Gastfreundschaft und seiner Hilfe bei der Vorstellung der anderen Mitreisenden zu bedanken. Nur wenige Schritte - ein Kabinendurchgang - und ich stand vor einem Pendler, ähnlich dem, der mich vor drei erdeTagen auf seinen Raumpeiler gebracht hatte. Die Halle allerdings, in der er stand, hatte mehr als die doppelte Größe. Ich sah auch noch andere Fahrzeuge und schloss daraus, dass wir uns jetzt auf dem Satteliten befanden. Die anderen Reisenden, oder die beiden /KIS Agenten, konnte ich nicht mehr entdecken.

Auch für irel-421-et schien diese Reise etwas Besonderes gewesen zu sein. Er sprach bedauernd darüber, nicht ständig Gäste auf seinem Raumpeiler begrüßen zu können, da seine Transporte eigentlich nur von den Rohstoffminen zu den Verarbeitungssystemen der TAARER gingen. Und nur, weil er gerade die Menge des VLO-NEG Minerals an Bord gehabt hatte, die bei den AGONTOS so dringend gebraut wurde, sei ihm diese besondere Reise ermöglicht worden. Sieben Reisende auf einmal und dann noch einen ~DES~ Reisenden dazu. Das sei wirklich etwas vollkommen Neues für ihn gewesen. Ich fand, dass er sich dafür ganz gut gehalten hatte, bis vielleicht auf die so überstürzt beendete Verabschiedung kurz vor unserem Portaldurchgang. Unsicherheiten im Umgang mit seinen Gästen hatte ich sonst jedenfalls bei ihm nicht feststellen können.

Als mein Pendler den INSORINE Satelliten verlassen hatte, musste ich doch über irel-421-et schmunzeln. Er hatte nichts dabei gefunden, mich unauffällig zu bedienen, um dann zuzugeben, dass es für ihn absolut ungewohnt gewesen sei. Mich wunderte eigentlich nur die luxuriöse Ausstattung seines Raumpeilers. Dafür, dass es bei ihm nicht so häufig vorkam, dass er Reisende zu transportieren hatte, besaß sein Peiler aber sehr gut ausgestattete Gästeunterkünfte. Oder gehörten sie zu den Mannschaftsräumen und sind für so viele Gäste nur frei geräumt worden? Wie dem auch sei, ich habe den Luxus eines Distanzraffers oder die Möglichkeit, die Unterkunft nach eigenen Vorstellungen zu gestalten, auf dem Hotelsatelliten zu dem mich der Pendler nun brachte, nicht vorgefunden. Dabei sollte das "Ruhe für Geist und Körper" zu den ersten Adressen in System der Sonne 003-NANROC zählen. Das stand wenigstens in den Unterlag der /KKK.

Die INSORINE mussten wirklich ein sehr wohlhabendes Volk sein.

-2-

Mein Pendler hatte keine Besatzung - was ich dann doch etwas sonderbar fand. Bei einem kleinen Rundgang jedenfalls konnte ich niemanden finden. Alle Räume - vor deren Tür ich nur lange genug stehen blieb - konnte ich betreten. Ich hatte gerade einen leeren, großen, hohen und hellen Raum erreicht, der die Zentrale des Pendlers hätte sein können, als sich die drei Wände gegenüber des Eingangs vollkommen - bis zur Decke - in Betrachtungsflächen verwandelten. Ich hatte den Eindruck, frei auf einem Außendeck zu stehen. Rings um mich herum wurde der Weltraum dargestellt. Nur die Wand mit dem Eingang, der Boden auf dem ich stand und die Decke über mir, boten eine Orientierung.

So sah ich die Welt 003-006-NANROC - um die der Hotelsatellit kreiste - zum ersten Mal in ihrer ganzen Schönheit. So viel anders als die ERDE sah sie von hier oben nicht aus. Sie hatte mehr Wasser und weniger Land und sie ist etwas kleiner. Was diese Welt aber von der ERDE vollkommen unterschied sind die Massen von Satelliten gewesen. Es mussten Tausende sein, die in verschiedenen Abständen um 003-006-NANROC kreisten und es herrschte ein reger Verkehr zwischen ihnen. Ich verstand jetzt auch, warum sie den Pendler fernsteuerten. Da jeder Satellit seine eigene Bahn und seine eigene Geschwindigkeit hatte, gab es gar keine Möglichkeiten, ständig gleiche Korridore für ein- und ausfliegende Raumpeiler auszuweisen. Nur eine zentrale Stelle, die immer über den Standort eines jeden Himmelskörpers, Satellit oder Pendler, Gravo- oder Raumpeiler Bescheid wusste, konnte ein absolutes Chaos verhindern. Eine solche Massierung von künstlichen Himmelskörpern in einem System erzwang förmlich eine zentrale Verkehrssteuerung. Mein Pendler jedenfalls flog direkt und ohne Umwege eine lange dünne Röhre an, die in der Mitte eine kugelförmige Verdickung besaß. Dass war der Eingangsbereich des Hotels "Ruhe für Geist und Körper". Die /KKK hatte mir hier eine Unterkunft angemietet. Ich wusste in diesem Moment noch nicht, das es die letzten ruhigen Minuten auf meiner ersten Reise gewesen seien sollten.

Nachdem ich den Hotelsatelliten betreten hatte, war es vorbei mit dem Ideal einer ruhigen Bildungsreise. Ich, als Person entwickelte mich zum absoluten Mittelpunkt des gesamten Systems. Was alles auf mich einstürzte, kann ich hier nur in Umrissen erzählen, weil ich selbst nicht alles begriffen habe. Etwas aber verstand ich dann doch: einen ~DES~ Reisenden hatte es seit langer Zeit hier nicht mehr gegeben! Ich, mit meinen 10 ~DES~, erschien ihnen als die wertvollste Person in diesem System und alle wollten etwas davon abhaben.

Seit meiner Ankunft auf dem Hotelsatelliten habe ich übrigens auch einen ständigen Begleiter. Der Erste TAAR persönlich hatte mir diese Begleitung verordnet. Etahan-T001 hat mich seit dieser Zeit nie mehr aus den Augen gelassen. Eigentlich tauchte er bei allen meinen Reisen irgendwann einmal auf. Zugegeben, er hat mir in den Anfangszeiten meiner Reisetätigkeit sehr geholfen. Eigentlich bin ich nur durch ihn auf die besondere Beziehung, die uns MENSCHEN mit den TAARERN verbindet, aufmerksam geworden. Später allerdings wurde er lästig und ich habe mehr als einmal versucht ihn irgendwie wieder los zu werde.

In der riesigen Eingangshalle des "Ruhe für Geist und Körper" empfing mich eine unübersehbare Ansammlung von Humanoide – nur Humanoide Wesen. Ich konnte keine einzige exotische Lebensform erkennen, wenn man einmal von den überall herumstehenden XOS Büschen absah. Ein kleiner dicker Mann, der sich als Ogl On Onera, IROITE und Verwalter des Satelliten vorstellte, empfing mich überschwänglich laut und unempfindlich prahlerisch. Die Augen aller anwesenden Personen hingen sozusagen an meinen Lippen. Alles, was ich von mir gab, nahmen sie damals jubeln auf. Ich war über diesen Empfang so überrascht, das ich heute nicht mehr genau weis, was ich damals überhaupt gesagt habe. Es schien wohl auch keine Bedeutung gehabt zu haben. Die Massen jedenfalls gaben sich unbeschreiblich begeistert.

So stelle ich mir heute die "Alte Menschheit" vor, die für ihren Lebensweg immer mystische Geschöpfe als Wegweiser ausgesucht hatte. Sie sollen diesen Geschöpfen - oder deren Vertreter - wie eine Herde unintelligenter Tiere gefolgt sein. Unkritisch und Unfähig eigene Gedanken zu entwickeln. Ich bin damals auf dem besten Wege gewesen, auch so ein mystisches Geschöpf zu werden. Nur befand ich mich nicht auf der ERDE und die "Tiere" kamen aus vielen Humanoiden Zivilisationen eines Kosmischen Verbundes der sich GAON KORMA nannte.

Ich konnte mich damals dieser um sich greifenden Mystifizierung überhaupt nicht mehr entziehen. Als Beispiel will ich hier nur vom Entstehen der universellen Geste berichten. Ein großer stattlicher IROITE fragte mich, was er machen müsse, um so wie ich zu werden. Was sollte ich ihm darauf antworten? Immer wenn sie mir solche oder ähnliche Fragen stellten, streckte ich die Arme soweit ich konnte nach hinten, so das meine Brust heraus gedrückt wurde und zuckte mit den Schultern. "Woher soll ich das wissen?" war damit gemeint. Die Menge übernahm diese Geste und benutzte sie später hemmungslos bei allen sich bietenden Gelegenheiten.

Etahan erklärte mir später, das diese Reaktion der Leute auf einen ~DES~ Reisenden gewünscht ist und sogar bewusst herbeigeführt werde. Einerseits sollte dem neuen Mitglied so vermittelt werden, das die gesamte GAON KORMA auf ihn und sein Volk gewartet hatte und andererseits sollten die alten Mitglieder alle Schranken und Vorurteile gegenüber dem neuen Mitglied verlieren. Bei einer Insektoiden oder noch fremderen Faunoiden Zivilisation ist der Abbau von Vorurteilen bestimmt sehr wichtig gewesen. Ich dagegen musste damals alle meine Kraft aufbieten, um nicht als neue Mystische Person in die Geschichte GAONS einzugehen.

Ich befand mich plötzlich in einer Lage, die ich so gefürchtet hatte. Meine Gesten und meine Mimik übersetzten fast meine Gedanken, da ich mich immer noch nicht verstellen konnte. Meine Überraschung, meine Verlegenheit - alles konnte von den Massen erkannt werden. Meinem Ruf schien diese Offenheit aber nur zu nutzen. Allerdings war mir damals nicht mehr klar, wie ich es jetzt noch anstellen sollte, etwas über das Zusammenleben der verschiedenen Zivilisationen untereinander heraus zu finden. Ich befand mich in einer luxuriösen Umgebung und hatte nur andächtig lauschende, unkritische Personen um mich herum. Keine gute Voraussetzung für meine Erkundungen.

Aber ich will der Reihe nach erzählen. Es wird auch für mich eine Möglichkeit sein, etwas von dem zu begreifen, was mir damals vielleicht entgangen ist.

Nach dem stürmischen Empfang im "Ruhe für Geist und Körper" geleitete mich Ogl On Onera zu einer der Wohnanlagen des Satelliten. Sie befand sich - von der Eingangshalle aus gesehen - in der linken, röhrenförmigen Erweiterung, ungefähr im ersten viertel, auf der rechten Seite. Alle Wohnungen des Hotelsatelliten lagen links und rechts der Eingangshalle in diesen beiden, mehrere Kilometer langen Röhren. Ausgehend von einer gepflegten, verschwenderisch mit XOS Büschen ausgestatteten Grünanlage als Basis, reiten sich die Wohnungen beidseitig terrassenförmig an- und übereinander, bis zur durchsichtigen, gewölbten Überdachung. Der Eingangsbereich meiner Wohnung befand sich in der zweiten Ebene. Über eine riesige Treppe führte mich OO Onera zu ihr hinauf. Oben angekommen, drehte ich mich noch einmal um. In der Grünanlage unter mir standen Hunderte von Humanoiden Wesen, die mir - wie in einer Prozession - gefolgt waren und mir zu jubelten. Von den Terrassen der Wohnungen auf der gegenüberliegenden Seite winkten weiter Personen. Alle blieben auch dann noch vor meiner Wohnung stehen, als ich sie längst betreten hatte.

Soweit ich mich an diese Wohnung erinnern kann, bestand sie aus einem riesigen Hauptraum der über drei Ebenen ging. An seinem Ende konnte ich die Welt 003-006-NANROC erkennen. Ich bin mir bis heute nicht sicher, ob es nur eine Wandfüllende Betrachtungsfläche oder ein wirkliches Fenster gewesen ist. Wenigstens änderte sich der Blickwinkel während meines gesamten Aufenthalts auf dem Satelliten nicht. Links und rechts führten breite Treppen auf die erste Ebene, von der dann ebenfalls breite Treppen - vom Eingang aus sichtbar - auf die jeweils zweite und dritte Ebene hinauf führten. Fahrstühle oder Transportplattformen konnte ich nicht entdecken. Die Eingangshalle erschien mir ansonsten eher kahl, bis auf die obligatorischen XOS Büsche. Zwei richtige, normale Stühle sind alles gewesen, was an Möbeln in der riesigen Halle stand. OO Onera führte mich noch durch die Räume der Eingangsebene, die sich um die Halle gruppierten. Sie sind dann schon etwas üppiger ausgestattet gewesen. Trotzdem fiel mir schon eine gewisse Kargheit der Einrichtung auf. Bevor er beginnen konnte, mir auch noch die oberen Ebenen zu zeigen, unterbrach ich ihn und bat um etwas Ruhe. Ich fragte nur noch nach der Richtung des Schlafraums. Er verließ mit allen Personen, die mit uns die Eingangshalle betreten hatten, schnell meine Wohnung nachdem er mir diesen letzten Hinweis gegeben hatte.

Nach einem langen Blick in den Weltraum machte ich mich dann auf die Suche nach den Ruheräumen, die ich auch in der angegebenen Richtung fand. Die sanitären Anlagen überraschten mich fast ein wenig. Ich erkannte wirklich ein Waschbecken, eine Duschkabine, eine Wanne und eine Toilette - wie auf der Erde, nur alles sehr viel größer und weiträumiger. Und es ist doch eine kleine Umstellung, sich nach einer erfrischenden Dusche - mit richtigem Wasser - selber abtrocknen zu müssen. Die Warmluftströme fand ich erst in der Toilettenschüssel wieder. Was die Bequemlichkeit anging, empfand ich den Körperdienst auf dem INSORINE Peiler um Klassen besser - bis auf die Zeit, die ich für eine Entschlackungssitzung brauchte. Sie war hier im "Ruhe für Geist und Körper" sehr viel kürzer. Es sind eben meine - von der Erde gewohnten - Handgriffe gewesen. Wie schnell man sich doch an Luxus gewöhnen kann.

Der Schlafraum den ich vorfand, ist auch fast vollkommen leer gewesen. Ein heller, großer und hoher Raum mit Blick auf die Grünanlagen meiner Wohnröhre. Die vorgebaute Terrasse verhinderte, dass ich die mir gefolgten Massen unten sehen konnte - ich hörte sie nur. In der Mitte des Raumes lag die von der ERDE gewohnte Schlafmatte. Mein UKOM konnte mir bei der Umgestaltung nicht helfen, da diese Dienste hier nicht eingerichtet waren. Es schien keine einheitlichen technischen Standards innerhalb der GAON KORMA zu geben. Ein Raumpeiler der INSORINE, der eigentlich nur Mineralien transportierte, ist besser ausgestattet, als ein Luxushotel der IROITEN. Sogar das Fenster und den Vorhang musste ich selbst zuziehen. Zur Ehrenrettung des Hotels sei darauf hingewiesen, das die Einrichtung so von der /KKK bestellt worden ist. Nur die Größe der Räume und die technische Ausstattung hatte die /Kooperative nicht mehr beeinflussen können. Später sah ich auch andere Wohnungen hier, die ich durchaus als luxuriös einstuften würde. Nach dem Liegesack der INSORINE empfand ich die harte Schlafmatte jetzt als unbequem. Der weiche Fußboden auf dem sie lag, minderte den Eindruck nur ein wenig. Wieder versuchte ich - mit einer Entspannungsübung - mein Gleichgewicht wieder zu erlangen, kam aber nicht mehr dazu.

-3-

Ich muss etwas Wirres geträumt haben. Ich erwachte erschreckt und fühlte mich keines Wegs entspannt. Da ich mit dem Kopf zum Fenster lag, sah ich - als ich mich aufrichtete - erst einmal nur die lehre Wand. Allmählich kam meine Erinnerung wieder und ich verspürte eines der Existenziellsten Gefühle, zu dem ein MENSCH überhaupt fähig ist - Hunger. Ich habe bis jetzt nichts über das Essen im Allgemeinen oder das Essen auf dem INSORINE Raumpeiler im Besonderen berichtet, weil es nichts zu berichten gab. Nahrung war für mich bis zu diesem Zeitpunkt ausschließlich zur Aufrechterhaltung der Körperfunktionen bestimmt gewesen. Die bunten, gut schmeckenden Pasten aus dem INSORINE Spender, unterschieden sich nicht sonderlich von dem, was ich auch sonst immer auf der ERDE gegessen hatte. Aber auf dem Hotelsatelliten der IROITEN, im System 003-NANROC der TAARER lernte ich, was ich unter einem Festmahl zu verstehen hatte.

Ich kleidete mich an und macht mich auf die Suchte nach einem Nahrungsspender. OO Onera hatte mir bei der Vorstellung keinen gezeigt. Erst als ich wirklich alle Räume durchsucht und nichts Essbares gefunden hatte, rief ich ihn über meinen UKOM an. Er fragte nach meinen Wünschen, was ich nicht so ganz verstand. Was sollte ich wünschen? Ich wollte nur irgendetwas um satt zu werden. Aber ich hatte begriff, das ich vorsichtiger mit meinen Äußerungen seien musste. Ich habe nicht vergessen, wie bei meiner Ankunft alle - sozusagen - an meinen Lippen gehangen hatten. So bat ich ihn, etwas für mich zusammen zu stellen. Damit konnte man keinen Fehler machen, glaubte ich. Was er dann persönlich brachte, lies mich zum ersten Mal auf dieser Reise wirklich sprachlos werden.

OO Onera kam mit einer Schwebeplatte, auf der sich verschiedene Behälter und andere Gerätschaften befanden. Pasten oder sonstige Nahrungsmittel sah ich nicht. In einem Raum auf der unteren Ebene begann er die Behälter zu öffnen. Einige der Gegenstände, die ich nicht hatte zuordnen können, stellten sich als Schneide- Mix- und Garungswerkzeuge heraus. Ich hatte eigentlich mit Säften und kleinem Energiegebäck gerechnet, so wie ich sie auch auf der Erde meistens gegessen hatte und die es in ähnlicher Form bei den INSORINE gab. Natürlich erwartete ich nicht unbedingt die gleichen Geschmacksrichtungen, schließlich bin ich 216 lichtJahre von der ERDE entfernt. Was mir OO Onera dann aber auftischte, ist etwas so einmaliges gewesen, das mir heute noch das Wasser im Munde zusammenläuft wenn ich nur daran denke.

Er produzierte auf seiner Schwebeplatte kleine Köstlichkeiten. Sie bestanden meist aus einem Geschmacksträger in den unterschiedlichsten Intensitäten, angeordnet auf einem etwas neutraleren Untergrund. Meine Geschmacksnerven nahmen immer erst den Aromaträger in seiner jeweiligen Ausprägung auf, wurden dann durch den neutraleren Träger wieder etwas abgeregt, nicht aber vollkommen neutralisiert. Diese kleinen Nahrungseinheiten hatten die Größe einer halben Handfläche, eher kleiner. Sie besaßen alle geometrischen Formen die ich kannte und OO Onera hatte sie zusätzlich noch farblich bearbeitet. Da Messer oder Gabeln hier unbekannt zu seien schienen, reichte er mir zu jeder Nahrungseinheit ein neues kleines Gerät, das durchaus Ähnlichkeiten mit einer kleinen Schaufel hatte. Zwischendurch wies er auf verschiedene Getränke. Es gab durchsichtige helle aber auch dunkle mit starkem Eigenaroma, süße, herbe und sogar fast geschmacklose. Sicher waren auch berauschende Säfte darunter. Meine Stimmung jedenfalls ist immer besser geworden. In einer riesigen Hängematte liegend, sah ich Ogl On Onera auf einmal mit ganz anderen Augen. War er mir bei meinem Empfang als oberflächlicher Hotelverwalter erschienen, so erkannte ich ihn hier als äußerst feinfühligen Zubereiter von phantastischen Speisen. Er erzählte über jedes seiner Werke immer kleine Geschichten, wie ihr jeweiliger Name zustande gekommen seien soll. Er erwähnte die Grundstoffe und Besonderheiten der Zubereitung. Mein UKOM fand nicht für alle Begriffe eine Entsprechung. So übersetzte er auch bei der letzten Nahrungseinheit den Begriff GLOON nicht. Es sollte der Abschluss dieses Mahles werden.

Das - was meine Geschmacksnerven jetzt an mein Gehirn lieferte, werde ich nie wieder vergessen. Es begann mit einem leicht säuerlichen Hauch, der sich bei jedem Kauen in seiner Intensität und in seiner grundlegenden Zustandsform änderte. Es begann mit einem festen, leicht herben Geschmack, steigerte sich über eine weiche, süße Zwischenstufe zu einem flüssigen - fast bitteren - Aroma. Der neutralere Träger veränderte bei jedem Bissen die Intensität des GLOON. Ich ertappte mich dabei, dass ich beim letzten Schlucken die Augen schloss, um ja nicht durch visuelle Reize von diesem Geschmack abgelenkt zu werden. Was GLOON eigentlich ist, weis ich bis heute nicht genau. Auf IROIT - dem Hauptplaneten der IROITEN - versteht man darunter die Frucht eines kleinen Baumes. Sie hat aber längst nicht das Aroma, was ich hier erlebt hatte. Auf einer Welt der FRELL wird GLOON als Teil eines fischähnlichen Tieres bezeichnet. Aber auch dieser Geschmack ist mit dem GLOON auf "Ruhe für Geist und Körper" nicht zu vergleichen. Dieses GLOON ist später wiederholt der Grund für einen Umweg über 003-NANROC gewesen. Ich weis, das dass jetzt etwas großspurig klingt; zum essen mal eben einen Umweg von 216 lichtJahre zu machen. Ist es auch. Aber das Erlebnis dieses Geschmackes war und ist es mir bis heute wert.

In dieser beschwingten, guten Stimmung machte ich dann auch die Bekanntschaft von Etahan-T001. Er meldete sich über meinen UKOM an, als OO Onera gerade meine Wohnung verlassen hatte. Ich musste mich fast aus der gemütlichen Hängematte heraus rollen, um ihn in der Eingangshalle zu empfangen, so satt fühlte ich mich nach diesem Essen.

Etahan unterschied sich äußerlich nicht von den anderen TAARERN in der Aktivphase. Mächtig, groß und kräftig, mit dem silbrig schimmernden, eng anliegenden Einteiler und den Spitzmausähnlichen Gesichtszügen, umrahmt von schwarzem, langen Kraushaar. Was mir auffiel, war der rote Kragen seiner silbrigen Uniform. Etahan-T001 ist nie ein großer Redner gewesen und kam immer sofort zur Sache. Auf ihn schien meine mystische Ausstrahlung, die mir hier so zu schaffen machte, keinen Einfluss zu haben, was mich doch sehr beruhigte. Es wäre für mich das schlimmste überhaupt gewesen, einen gläubigen Jünger als Reisebegleiter zu bekommen. Was seinen Namen anging, klärte der schon einige der Besonderheiten der Taarischen Zivilisation auf. Etahan ist eigentlich eine Funktionsbezeichnung gewesen und bedeutete in etwa "Erweckt für Sonderaufgaben". Was damit gemeint war, sollte ich noch kennen lernen. Etahan-T001 ist einer der anpassungsfähigsten TAARER gewesen, dem ich je begegnet bin. Das "T" in seinem Namen bedeutete, dass er im direkten Umfeld des Ersten TAAR eingesetzt wird. Sind Vahan und Haharo nicht auch "T" TAARER gewesen? Die 001 meinte seinen "Entstehungsplaneten". In seinem Falle ist dass die Reprowelt 001 im Hauptsystem der TAARER. Funktion, Zuordnung und Entstehungsort sind also schon im Namen eines TAARERS zu erkennen.

Etahan-T001 fragte auch nach der Bibliothek, die noch kurz vor meiner Abreise geliefert worden war und der ich bis zu diesem Augenblick immer noch keine Beachtung geschenkt hatte. Alle wollten immer nur dass ich mir diese Bibliothek anschaute. Irgendwie ist meine Reise doch wohl etwas überstürzt worden. Für eine gründliche Vorbereitung hatte ich einfach nicht die Zeit und auch nicht die technischen Voraussetzungen gehabt. Ich erinnere nur daran, das erst kurz vor meiner Abreise unser /InfoSpeicher an das KOSMIC-LINK angeschlossen worden ist und in die Taarische Bibliothek konnte ich erst wenige Stunden vor meinem Abflug Einblick nehmen. Ich hatte aber einfach nicht die Ruhe gehabt, so kurz vor meiner ersten Reise in die Galaxis in einer Bibliothek zu wühlen. Dass soll mir auch erst mal einer vormachen. Jetzt allerdings musste ich es - auf sein Anraten hin - schleunigst nachholen. Er gab mir fast so etwas wie Hausaufgaben auf. Thema sollte sein: die TAARER und ihre Zivilisation. Etahan, wie ich ihn ab jetzt nur noch nannte, gab mir zwei erdeTage also 48 erdeStunden um mich mit der Bibliothek vertraut zu machen. Danach wollte er mit einem Besichtigungsprogramm wieder kommen. Bis dahin würde er dafür sorgen, dass ich von den religiös verzückten Massen nicht mehr belästigt werde. Ich begann nach Etahans Abgang also erst mit der Durchsicht der Bibliothek der TAARER, auf einem Satelliten der IROITEN, im System 003-NANROC. Die Hotelleitung musste meine persönliche Zeiteinstellung auf die Wohnung übertragen haben, so das es hell und dunkel wurde, wie mein Körper es noch von der Erde gewohnt gewesen ist.

-4-

Im Koffer befanden sich 20 würfelförmige Informationsspeicher, die ich aber erst einmal zuordnen musste. Alle sahen gleich aus - bis auf einen großen Buchstaben aus unserem Alphabet. Ich wählte natürlich den Würfel mit dem großen roten "T" und schob ihn in das Lesekästchen. Ich war gespannt wie die Darstellung der Information erfolgen würde, eine Betrachtungsfläche hatte ich im Koffer nämlich nicht gefunden. Die brauchte mein Lesekästchen auch nicht. Es baute einen imaginären Würfel vor mir auf, in dem die Informationen dreidimensional dargestellt wurden. Die Größe des Würfels konnte ich mit meinem UKOM wählen. Um nicht gestört zu werden, schaltete ich auf die größte Betrachtungsstufe um und fand mich selber innerhalb des Würfels wieder. Mein ganzer Körper erfuhr so die Informationen.

Ich ging mit meinen Fragen wirklich systematisch vor. Wer sind die TAARER? Woher kommen sie? Was ist ihre Aufgabe innerhalb der GAON KORMA? Ich meinte damals, dass ich über die TAARER eigentlich genug wusste und hatte die Fragen nur der Ordnung halber gestellt. Der nun folgende Informationsschwall beinhaltete aber doch einige Neuigkeiten.

Die TAARER zählen sich selbst zum Rassenstamm der Neu-Humanoiden. Das wurde auch auf der Erde geleert. Gemeint war in diesem Falle aber, das die RAHNN - als Gründer der Taarischen Zivilisation - vor 180 Dekaden die Humanoide Form "wählten" und sie nicht das Produkt der Evolution sei! Davon hörte ich zum ersten Mal. Diese Körperform sollte nur aus dem einzigen Grund ausgesucht worden sein, weil der Humanoide Rassenstamm, also die OROREN und ARILEN und einige andere Zivilisationen, zu diesem Zeitpunkt die größte und mächtigste Entwicklungslinie in GAON darstellte. Also gehören die TAARER eigentlich zum Rassenstamm der PLASMA Nachfolger und die Neu-Humanoiden sind nur ein Entwicklungszweig. Wenn man es genau nimmt, gehören auch wie MENSCHEN, als Mitglied des Humanoiden Stammes nur als Entwicklungszweig zur Obergruppe der Faunoiden Rassen. Nur der weiten Verbreitung wegen und des Einflusses der OROREN auf die Geschichte GAONS, lässt den gesamten Zweig heute als eigenständige Entwicklungslinie erscheinen. Die Einteilung der Zivilisationen in Rassenstammbäume, innerhalb der GAON KORMA Richtlinien, erschien mir doch sehr willkürlich.

Die genetische Grundlage der TAARER ist also das PLASMA. Es ist keine körperliche Lebensform so wie wir sie kennen, sondern eine Ansammlung verschiedener Moleküle, die alle gleichzeitig dieselben Funktionen ausüben können. Einen Organismus wie wir MENSCHEN ihn besitzen, in dem sich die verschiedenen Zellverbände spezialisiert haben, kann das PLASMA nicht vorweisen. Ein Gehirn oder Organe sind ihm unbekannt. Aus dieser neutralen Substanz also formten die RAHNN vor 180 Dekaden das Erscheinungsbild der heutigen TAARER. Den - einer Spitzmaus gleichenden - Kopf gestalteten sie als individuelles Erkennungszeichen. Innerhalb der heutigen Taarischen Zivilisation wird eine neutrale, genetisch "überarbeitete" PLASMA Grundsubstanz, auf den so genannten Reprowelten, in Großtechnischen Anlagen industriell erzeugt und in einem weiteren Schritt zu einem Einzelwesen "verarbeitet". Die Intelligenz und das fachliche Wissen des jeweiligen Einzelwesens wird durch die Aufladung der Gesamtmoleküle mit der BASISPOOL Energie, je nach der gewünschten Funktion erreicht. Etahan ist mir also auf den Leib geschrieben, gut zu wissen. Daher gibt es auch keine Kinder oder heranwachsende TAARER. Sie kommen alle, voll ausgebildet im biologischen wie im Intellektuellen Sinne, von ihren Reprowelten.

Also hatte Albert doch mit seiner These Recht gehabt, dass die TAARER eine von den RAHNN künstlich erschaffene Lebensform sind. Nur - wer sind die RAHNN? Warum konstruierten sie, so muss man ja schon sagen, ein Volk wie die TAARER? Vor 180 Dekaden allerdings. Das sind umgerechnet 180.000 GKZe, mal 1,53 - ein dagorJahr - wären 275.400 erdeJahre!!!

Wir - die MENSCHEN - existieren seit 2030, das sind nur 130 erdeJahre. Und wenn man mal der Alten Menschheit vertraute würde - was mir sehr schwer fällt - konnte sie ihre Geschichte nur auf ungesicherte 8000 erdeJahre zurückverfolgen. Wieso konnte die GAON KORMA eigentlich - über solche Zeitdimensionen hinweg - gesicherte Informationen über den Ursprung ihrer Mitglieder besitzen? Ich - mit meiner eigenen bewussten Geschichte von vielleicht 20 erdeJahren - meine erste bewusst erlebte Erinnerung muss ich gehabt haben als ich 3 Jahre alt war, irgend etwas mit Wasser und Sharei drückte mich an ihre Brust - ich verlor sozusagen den Boden unter den Füßen. Diese Zeitdimensionen sind damals einfach zu gigantisch für mich gewesen. Aller Elan und alle Neugier verschwanden kurzzeitig aus meinem Bewusstsein und hätte sich nicht ein Essensrest, mit diesem phantastischen GLOON aus meinen Zähnen gelöst, ich weis nicht, ob ich alle meine Reisen hätte durchführen können.

Zu erfahren, dass der Ursprung der eigenen Zivilisation bewusst herbeigeführt worden ist, hätte mich zu diesem Zeitpunkt doch ziemlich aus der Bahn geworfen. Das schien die TAARER heute nicht weiter zu stören, sonst hätten sie diese Informationen nicht in den Bibliothekswürfel eingegeben. Und dass sie heute doch Individualisten sind, hatten mir die beiden alten TAARER Vahan und Haharo doch auch deutlich gezeigt. Ich durfte der Entstehungsgeschichte einer Zivilisation nicht mehr die fundamentale Wichtigkeit zu ordnen, wie ich es bis dahin getan hatte. Heute bin ich froh damals zu dieser Erkenntnis gekommen zu sein. Nur so konnte ich die Wahrheit über die Herkunft meines eigenen Volkes später überhaupt verkraften.

Der Würfel klärte mich auch über die aktuellen Politischen Realitäten in GAON auf. So stellte er die Zivilisation der TAARER als die größte wirtschaftliche und militärische Macht innerhalb der GAON KORMA dar. Es wurde nur noch einmal bestätigt, was ich sowieso schon wusste. Nur die Dimensionen sind damals neu für mich gewesen.

Genau 39.405 Sonnensysteme gehörten zu ihrem direkten Einflussgebiet. Sie hatten 42.602 SSA Welten besiedelt, wovon ungefähr die Hälfte erst durch die Anlage einer künstlichen Atmosphäre bewohnbar gemacht worden sind und sie besaßen 199 Reprowelten. 113.952.949 Sonnensysteme gehörten zu ihrem Sternenkatalog, standen somit unter ihrem direkten Einfluss. Etwa 40 % ihrer Bevölkerung von 852 Milliarden Individuen lebten ständig auf Satelliten. Die Zwanzig wichtigsten Handelsstützpunkte in GAON werden von ihnen kontrolliert. Ihre Handelsflotte bestand aus Millionen von Raumpeilern, die innerhalb des Galaktischen Handelssystems absolut vorherrschend sind. Die größte Humanoiden Zivilisation - die IROITEN - kam erst an fünfter Stelle. Sie besitzen weniger als ein zehntel der Taarischen Größe.

Selbst wenn man alle 62 Humanoiden Völker - die heute Mitglied der GAON KORMA sind - als eine Einheit wertete, kamen sie nur auf ein viertel der Größe der Taarischen Zivilisation. Aber dieser Vergleich ist auch nicht realistisch, da viele dieser Völker unter der direkten Kontrolle der TAARER stehen - so wie wir MENSCHEN auch.

Zusätzlich kontrollierten sie noch die gesamten Rassenstämme der Neu-Humanoiden, der NEPLASMA Nachfolgezivilisationen und die PLASMA Entwicklungslinie selbst. So hatten sie um sich herum die eigenständigen Völker der INSORINE und der EMPORIDEN aufgebaut - um nur zwei der wichtigsten zu nennen. Selbst ihre Erzeuger - die RAHNN - sind heute von ihnen abhängig. Diese Zahlen ließen mich dann doch etwas nachdenklich werden. Diese Größe und dieser Einfluss den die TAARER besaßen, machte das die GAON KORMA tatsächlich erst möglich? Keiner der anderen 278 Mitglieder der Vereinigung konnte es sich erlauben, gegen ihre Richtlinien zu verstoßen, weil sie es dann sofort mit den TAARERN zutun gehabt hätten. Hält Angst diese Organisation zusammen? Das wäre allerdings eine schlechte Voraussetzung für das friedliche zusammenleben so vieler unterschiedlicher Lebensformen gewesen. Aber irgendwie funktionierte es seit 51 Dekaden ja, trotz der wirtschaftlichen und militärischen Übermacht einer einzigen Zivilisation. Es musste noch etwas anderes geben was diesen Verbund zusammenhielt. Der "T" Würfel konnte mir allerdings darauf keine Antwort mehr geben. Meine gute Stimmung jedenfalls ist damals erst einmal verflogen.

Ich bin wohl auch etwas verstimmt über Etahan gewesen. Er hatte mich ja fast gezwungen die Bibliothek zu durchsuchen. Erhoffte er sich mehr Respekt ob der Größe seiner Zivilisation? Ich weis nicht ob er einen Anspruch darauf gehabt hätte. In den 48 erdeStunden jedenfalls arbeitete ich alle 20 Würfel durch. Die meisten Wahrheiten sind heute allgemein bekannt und nur einige wenige, sehr spezielle Eigenarten einiger Lebensformen, werden auch heute noch nicht öffentlich ausgesprochen. Da ich mit diesen Zivilisationen bis heute nicht zusammen gekommen bin und so zu diesen Besonderheiten kein eigenes Anschauungsmaterial besitze, will ich auch darüber schweigen.

Das überlasse ich anderen Reisenden.

Hauptsächlich bekam ich einen Einblick in die politischen Strukturen von GAON. Auffällig für mich ist es gewesen, das von der Organisation GAON KORMA eigentlich selten die Rede war. Die Bibliothek ging auf die Zivilisationen und ihre Funktionen direkt ein. Ob oder wie eine Koordinierung der Aufgaben erfolgte, erklärten sie nicht. So ist mir zum Beispiel nicht klar, wie oder mit was das Volk der IT´ONS kontrolliert wurde. Sie übten in GAON die Funktion einer Sicherheitstruppe nach innen aus. Über den Galaxis weit operierenden Dienst ODERNE nahm sie Einfluss auf die Innere Stabilität der politischen Systeme aller Mitglieder. Die IT´ONS aber sind Humanoide. Mit welchen Vorgaben sollte sie beispielsweise eine Reptiloide Lebensform wie die CHEENUSI beeinflussen? - denn dass taten sie. Das die IT´ONS keine eigene Machtpolitik betreiben durften, musste klar und gesichert sein. Wenn sie eingriffen, dann nur im Auftrag der Organisation. Die GAON KORMA besaß aber keine ständigen Organe. Nur alle 100 GKZe trafen sich die Vertreter aller Mitglieder auf der Wüstenwelt DAGOR. In der Zwischenzeit gab es keinen direkten Ansprechpartner. Und das bei der Versammlung eine Art Rechenschaftsbericht der jeweiligen Fachvölker vorgelegt wurde, davon stand nichts in der Bibliothek. Meine Fragen dahingehend konnte mir das System nicht einmal beantworten, da es den Begriff Rechenschaftsbericht gar nicht kannte. Die Offenzeit, wie dieses Zusammentreffen auch genannt wird, hatte sowieso eigentlich nur einen repräsentativen Charakter. Es kamen mir noch einige andere Einträge unklar vor, obwohl sich ein Würfel hauptsächlich um die inneren Auseinandersetzungen verschiedener Zivilisationen in den 51 Dekaden der Existenz der Organisation kümmerte.

Nötig geworden ist die ODERNE wohl hauptsächlich durch das Verhalten der Humanoiden KAILECH. Sie sind das einzige Volk, das in den Anfangszeiten der GAON KORMA wieder ausgeschlossen werden musste. Nach ihrem Beitritt fühlten sie sich den Grundsätzen der Organisation nicht mehr verpflichtet, was immer damit gemeint war. Dass die KAILECH eine Ansammlung von extremen Individualisten sind, die keine Autoritäten akzeptierten, musste die GAON KORMA vorher schon gewusst haben, aber genau das ist die offizielle Begründung für ihren Ausschluss gewesen. Die Ausgeschlossenen mussten damals vom Rest GAONS isoliert werden und dafür brauchte man als Polizeidienst die ODERNE. Was damals wirklich vorgefallen ist, davon fand ich nichts in der Bibliothek.

Ich bekam von der Hotelleitung regelmäßig kleine Mahlzeiten in meine Wohnung geliefert. Nicht unbedingt immer die raffinierten Köstlichkeiten, die mir OO Onera zubereitet hatte, aber doch exotische Gerichte in kleinen Schalen, serviert von einer Schwebeplatte. Serviceleute schien es hier nicht zu geben. Ansonsten verbrachte ich die 48 erdeStunden vollkommen allein, ohne Kontakt zu irgendeinem Gast oder sonstigen Personen. Etahan hatte ganze Arbeit geleistet. Die Zeiteinteilung auf dem Satelliten musste auch eine vollkommen andere sein, als die des Planeten, um den er kreiste. Wenn ich auf 003-006-NANROC blickte und unter mir die Nachtseite auftauchte, war hier oben trotzdem immer alles hell erleuchtet und es herrschte in den Grünanlagen die ganze Zeit über ein reges Treiben. Von der Terrasse meines Schlafraumes aus hatte ich einen weiten Blick über meinen Teil der Hotelröhre und es ist immer interessant gewesen, die Gruppen von Personen zu beobachten, die unten vorbei gingen oder auf den Terrassen der gegenüberliegenden Wohnungen saßen, zumal sie mich nicht zu bemerken schienen. Insgesamt zwei Ruhezeiten meldeten sich durch eine langsame Verdunklung der Räume in meiner Wohnung an. Es ist sogar richtig still geworden, obwohl ich die Fenster in meinem Schlafraum offen gelassen hatte. Wahrscheinlich wieder so eine Technische Besonderheit, um ein Humanoides Wesen an seine Zeitgewohnheiten zu erinnern.

Die Durchsicht der Bibliothekswürfel hatten bei mir mehr offene Fragen hinterlassen als sie geklärt haben. Sie sind voll mit Fakten gewesen, wann welche Zivilisation beigetreten ist, welche Funktion sie hatte. Es gab einen kleinen Überblick über die Geschichte einer Lebensform, gespickt mit Namen ihrer wichtigen Persönlichkeiten. Man konnte schnell den Überblick über das Wesentliche verlieren. Zu einer Erkenntnis kam ich aber: so einheitlich wie die GAON KORMA immer dargestellt wird, ist sie gar nicht! Es begann schon mit dem Entwicklungsgrad eines Mitgliedes, der von 1001 bei den KANATIREN bis zu 1452 Einheiten bei RASSILO schwanken konnte. Über 1000 Einheiten musste man mindesten haben, um überhaupt aufgenommen zu werden und wir MENSCHEN, mit unseren 1012 sind da nicht einmal die letzten. Dabei ist mir nicht einmal klar geworden, nach welchen Kriterien ein Volk überhaupt bewertet wird. Ein Würfel sprach vom Aggressionsgrad, der biologischen Entwicklung und vier weiteren Testpunkten, die zusammengenommen den offiziellen Entwicklungsgrad einer Lebensform ergaben. Die Humanoiden LAAT sind als die dafür verantwortliche Fachzivilisation genannt. Sie treten als so genannte Zivilisationstester auf und ihre Bewertung ist ausschlaggebend für einen Beitritt. So viel scheinen sie heute nicht mehr zutun zu haben. Seit 600 GKZe oder 900 erdeJahren sind wir das einzige neue Mitglied. Auch sie werde ich wohl bereisen müssen. Einen einheitlichen technischen Entwicklungsgrad schien es überhaupt nicht zu geben. Die Floriden XOS Stammbaum Rassen sind dafür der beste Beweis. Keine der vier Zweige der Blumenbüsche besitzt überhaupt eine technische Basis. Was sie sind und wo sie sind, verdanken sie den OROREN. Dabei haben sie einen offiziellen Entwicklungsgrad von 1049 bis 1082 Einheiten. Es gab noch einige weitere Unklarheiten, die ich nicht verstand. Anstelle der Übersicht hatten mir die Würfel eher das Gegenteil eingebracht.

Meine zweite Schlafperiode begann ich wieder mit einer geistigen Entspannungsübung. Irgendwie aber kam ich meinem Ruhepunkt auch diesmal nicht näher. Die Flut der Informationen hatte mich verwirrt. Meine festen Denkrahmen über die Funktionen der Völker innerhalb der GAON KORMA waren aufgebrochen und ich musste nach einigen dringenden Antworten suchen. Ich hatte mein Weltbild von irdischen Verhältnissen übernommen, was in einer Kosmischen Zivilisation so nicht mehr funktionieren konnte.

-5-

Ich erwachte plötzlich durch einen melodischen Gong. Es war das erste Mal, das ich dieses akustische Signal hörte und ich versuchte erst einmal mich zu orientieren. Mein UKOM hatte mich geweckt. Das tat er zum ersten Mal und es ist mir nicht bewusst gewesen, ihm das gesagt zuhaben. Etahans Frist lief ab und mein UKOM hielt es für nötig, mir das zwei erdeStunden vorher zu sagen. Meine gesamte Zeiteinstellung basierte immer noch auf der Ortszeit von Neuyork. Auf dem Raumpeiler hatte ich nur zwei Ruhepausen eingelegt und auf dem Hotelsatelliten drei. Nach meinem Gefühl sind bis jetzt sechs erdeTage vergangen. Ein Blick auf meinen UKOM aber zeigte den 10. Dezember 0/2152, 8:00 morgens, Zeitbasis Neuyork /ERDE /SONNE /GAON an. Auf der ERDE erfolgte die Zeitübermittlung einheitlich über einen zentralen Sender. Es gab keine unabhängigen Zeitmeßsysteme mehr. Da ich nicht davon ausgehen konnte, dass die Sender bis 003-NANROC reichten, musste es andere Wege der Übermittlung geben. Denn das die von meinem UKOM angegebene Zeit nicht stimmen könnte, dieser Gedanke kam mir damals überhaupt nicht.

Noch auf meiner Matte liegend, schaltete ich meinen UKOM auf den /INFOSPEICHER um. Die /KIK Nachrichten brachten Neuigkeiten von der ERDE. Dort schienen alle mit der Anpassung an GAON KORMA Standards beschäftigt zu sein. Ein Bericht über die Neueinrichtung des ZSep interessierte mich am meisten. Dieser Zeitstrom Separator wie er vollständig hieß, ist verantwortlich für meine persönliche Zeitbasis, auch hier im System 003-NANROC. Er ist der wesentliche Bestanteil aller kosmischen Zivilisationen. Nur mit ihm sind überhaupt zeitlich zusammenhängende Kulturen über lichtJahre hinweg möglich. Und der wurde auf der ERDE neu eingerichtet? Ich hoffte nur, dass er meine Zeitbasis hier nicht durcheinander brachte.

Der Bau des Empfangssatelliten machte Fortschritte und die Einrichtung des Galaktischen Finanzsystems sei erfolgreich abgeschlossen worden. Das konnte heißen, dass meine alte ID-Karte auch hier gültig ist. Die /KKH hatte von den IROITEN einen Raumpeiler gekauft und begann mit ihrem kosmischen Handelsgeschäft. War nicht auch Ju Han - eine der 10 Reisenden für die ERDE - eine /KKH Frau gewesen? In Neuyork gab es Schneeregen bei Temperaturen von +3 Grad °. Ich erinnere mich noch sehr gut daran, welche Sicherheit und welches Wohlbehagen ich damals beim betrachten der Nachrichten von der ERDE empfand. Irgendwie schien es für mich vollkommen normal zu sein, auf einem Hotelsatelliten - 216 lichtJahre von der ERDE entfernt - ihre Neuigkeiten zu genießen. Und ich bin interessiert gewesen - was früher, als ich noch auf der ERDE lebte nicht unbedingt der Fall gewesen ist. - Früher ist gut - Ich bin erst sieben Tage von der ERDE entfernt und es kam mir schon wie eine Ewigkeit vor.

In meinem /IS Konto befanden sich an diesem Morgen keine Nachrichten. Das ich dass /KIS Pärchen abgewiesen hatte, schien Gus nicht weiter zu interessieren. Ich stand auf und nach meinen Übungen und nach einer Dusche stand ich frisch und munter in der Eingangshalle, als die Schwebeplatte mir mein kleines Frühstück brachte. Von "klein" konnte dann eigentlich auch nicht mehr die Rede sein. Etahan kam wenige Minuten später und hatte dass der Hotelleitung wohl auch gesagt. So nahmen wir beide zum ersten Mal das Frühstück zusammen ein. Ich war entspannt, Etahan war entspannt, in Neuyork war es kalt, alles ist in Ordnung - es konnte losgehen.

Das Etahan nicht dass selbe aß, was die Hotelleitung für mich zusammengestellt hatte, muss ich hier wohl nicht besonders erwähnen. Er wählte die Pasten, die ich auch auf dem INSORINE Raumpeiler gegessen hatte. Ich aber konnte wieder einige neue Schöpfungen von OO Onera genießen. Etahan fragte nicht nach der Bibliothek, was mir an diesem Morgen sehr recht war. Er begann, mir einen Zeitplan für die nächsten zwei erdeMonate vorzulesen. Ich sollte in der nächsten Zeit erst einmal dem Taarischen Systemverwalter, einigen Technischen Leitern, dem offiziellen Vertreter der GAON KORMA und einigen wichtigen Personen aus dem Wirtschaftsleben des Systems vorgestellt werden. Ein Besuchsprogramm, um die wichtigsten Sehenswürdigkeiten kennen zu lernen, sollte sich anschließen. Von allen Orten die er aufzählte, kam mir an diesem Morgen nur das "Entwicklungsmuseum für befreundete Zivilisationen" interessant vor. Mit dem Besuch der Systemtechnik Satelliten konnte ich mich nicht besonders anfreunden. Die Bestimmtheit von Etahan aber gab mir nicht den Mut zu einem Widerspruch. Ich bin Gast in diesem System und wenn erst einmal der offizielle Teil beendet sei, könne ich ja immer noch eigene Wünsche äußern - so dachte ich damals.

Der Besuch beim Systemverwalter stand natürlich an erster Stelle. Er residierte nicht auf 003-006-NANROC - wen wunder das noch - sondern auf einem Satelliten, der zwischen dem vierten und fünften Planeten um die Sonne 003 kreiste. Dieser Satellit ist das größte, frei schwebende Gebilde was ich bis dahin gesehen hatte. Die TAARER schienen Quadrate besonders zu lieben. Auf einer solchen Plattform, mit einer Kantenlänge von über 400 Kilometern und einer Höhe von ca. 50 Kilometern, erhoben sich auf jeder Seite jeweils eine Pyramide ohne Spitze von etwa 300 Kilometern Höhe. Sie dienten als Hauben für die auf der jeweiligen Plattformseite aufgebauten Gebäude. Beide schienen durchsichtig zu sein und sollten wohl nur das Entweichen der Sauerstoff Atmosphäre verhindern. Die Schmalseiten der Grundplatte sind, wie auch beim INSORINE Satelliten, die Anlegefläche für Raumpeiler gewesen. Und die TAARER besaßen riesige Peiler. Plump wirkende kurze, eckige Röhren mit einer Kantenlänge von über 1000 Metern und einer Höhe von über 3000 Metern. Die Spitzen allerdings liefen nicht kantig zu wie bei den INSORINE Peilern, sondern besaßen eine runde, kuppelförmige Konstruktion. Auch die austauschbaren Triebwerksröhren der INSORINE besaßen sie nicht. Entweder brauchten die TAARER nur bestimmte Antriebsdienste, oder sie hatten alle bekannten Technologien bereits fest eingebaut. Die INSORINE dachten wahrscheinlich nur wirtschaftlicher. An den Schmalseiten der Grundplatte des Satelliten, den wir anflogen, lagen unzählige dieser Raumschiffe. Dicht an dicht und in bis zu fünf Reihen übereinander, mit der Spitze nach vorne, ragten sie aus dem Satelliten heraus.

Unseren Besuch will ich hier nicht in allen Einzelheiten beschreiben. Zugegeben habe ich auch kaum noch eine Erinnerung daran. Ein Pendler brachte uns beide zu diesem riesigen Gebilde, wir wurden vom Systemverwalter in seinen Räumen freundlich empfangen. Etahan sprach von unseren Plänen, freundliche Verabschiedung, das war’s. Der Besuch hatte keine 30 erdeMinuten gedauert. Dann saßen wir wieder im Pendler, der uns noch zu drei weiteren Satelliten ähnlicher Größe brachte. Auf allen wiederholten sich die gleichen Begrüßungen, freundlich, interessiert, Verabschiedung und schon fand ich mich auf unserem Pendler wieder. An diesem Tag hatte ich die politische Führung des Systems 003-NANROC kennen gelernt ohne es so richtig zu begreifen. Natürlich sind es immer TAARER gewesen die wir besucht hatten. Es ist ja eines ihrer 20 Wirtschaftssysteme. Es blieb aber auch dabei. Alle weiteren Besuche, die Etahan und ich in den nächsten 24 erdeStunden machten, galten Humanoiden Personen - bis auf VELL VANN, einem EMPORIDEN Händler. Er ist der letzte auf der Besucherliste gewesen, aber auch der interessantesten.

Der Satellit des offiziellen Vertreters der GAON KORMA, bestand aus einer runden Scheibe mit elliptischem Aufbau. Die obere Kuppel ist auch hier durchsichtig gewesen. Nur überspannte sie keine Gebäude wie bei den Satelliten der TAARER, sondern eine verschwenderische Grünanlagen. Der ungefähre Durchmesser betrug vielleicht nur 150 Meter. Für die politische Bedeutung seines Bewohners erschien mir die Größe des Satelliten eher gering. Es stellte sich dann heraus, das es nur die Wohnung des OROREN Elon-per-Junreil war. Die eigentliche Verwaltung befand sich - oh wunder – auf der Oberfläche von 003-006-NANROC. Wir wurden von ihm mit der gewohnten Ororischen Zurückhaltung empfangen. Auch hier stellte Etahan unsere Besuchsliste vor. Elon-per-Junreil lies sich allerdings noch zu einem kurzen Gespräch herab, bevor er uns reserviert, aber nicht unfreundlich verabschiedete. Es folgte der Besuch bei der ARILE el-Anslin-Delrigen, die sozusagen die Anlaufstelle bei Fragen der Kommunikation der Gastzivilisationen untereinander im System 003-NANROC ist und bei Gego Ge Garendin, einem wichtigen IROITEN, der von hieraus sein Organisationsgeschäft betrieb. Die beiden residierten natürlich jeweils auf einem eigenen Satelliten, von dem keiner eine einheitliche Form besaß. Sie kreisten wie chaotische Gebilde, die je nach Bedarf mit Wohnzylindern, Grünraumkuppeln oder Verwaltungsplattformen ergänzt worden sind, um 003-006-NANROC. Die beiden besaßen aber auch ständige Verwaltungsniederlassungen auf der Oberfläche des Planeten und beide hatten uns mit geschäftsmäßiger Freundlichkeit empfangen und uns schnell wieder verabschiedet.

Ich erzähle von diesen Vorstellungsbesuchen nur der Ordnung halber. Wahrscheinlich ist der Empfang doch freundlicher gewesen, als ich ihn in Erinnerung habe. Wir erhielten von allen Besuchten Einladungen zu einem Fest, das jeder extra für mich geben wollte. Ich kann mich auch nicht mehr genau erinnern, ob sie diese Einladung bei unserem Besuch schon ausgesprochen hatten oder ob sie nachgereicht worden sind. Das einzige woran ich mich wirklich vollständig erinnern kann, ist der Besuch bei VELL VANN. Wahrscheinlich deshalb, weil wir dafür zum ersten Mal auf 003-006-NANROC landeten. Seit meiner Abreise, vor neun erdeTage, betrat ich zum erstem male wieder einen Planeten und ich war erleichtert. Ich spürte keinen direkten Unterschied was die Schwerkraft und die Luftzusammensetzung anging. Irgendwie hatten sie es immer geschafft - auf allen Peilern und Satelliten die ich benutzte - die gleiche Schwerkraft und die gleiche frische Luft, wie auf der ERDE zu erzeugen. Aber es gab hier Winde, Gerüche und das Geräusch der Natur. Seltsam zirpende Laute und das Bellen von kleinen Landtieren und noch viele andere Geräusche, die einzeln nicht unbedingte zuzuordnen waren, aber in ihrer Gesamtheit einfach irgendwie Guttaten.

Der Pendler hatte uns zu einem riesigen, parkähnlichen Anwesen gebracht, das nicht auf dem einzigen Kontinent von 003-006-NANROC lag, sondern auf einer der drei größeren Inseln dieser Welt. Etahan hatte natürlich meine Erleichterung beim Betreten des Planeten bemerkt. Er sprach davon, dass es Hotels mit der Ausstattung eines "Ruhe für Geist und Körper" hier auf der Oberfläche nicht mehr gab. Die meisten Gäste, die länger im System 003-NANROC blieben, brachten ihre eigenen Satelliten mit und für Durchreisende hätten sich die Hotelsatelliten als beliebter erwiesen. Nicht alle vertrugen schließlich die Natur von 003-006-NANROC. Es sei schon etwas besonderes, wenn ein Gast ständig hier lebte - wie eben VELL VANN. Was er genau damit meinte, bekam ich sehr schnell zu spüren. Insekten, die in Schwärmen hinter einem her sind, gab es auf Satelliten natürlich nicht. Etahan hatte aber vorgesorgt. Keines der Insekten kam näher als 2 Meter an mich heran. Er hatte irgendein Sicherungsfeld um mich aufgebaut. Womit er dieses Feld erzeugte, konnte ich allerdings nicht erkennen. Technische Geräte - außer unsere UKOMS - hatten wir nicht dabei.

VELL VANN selber hielt ich im ersten Moment für ein einheimisches Reptil, als er sich uns entgegen schlängelte. Er gehörte zu einem Untervolk der EMPORIDEN, den SKELKS und die waren auf der Erde sehr gut bekannt. Mit ihrem Auftauchen vor 150 erdeJahren begann eigentlich erst unsere kosmische Geschichtsschreibung. Sein Schlangenkörper ist vollkommen mit diesen Insekten bedeckt gewesen, was ihn aber nicht zu Stören schien. Sein Vogelkopf aber blieb frei. Er begrüßte uns überfreundlich. VELL VANN leitete eine Handelsorganisation der EMPORIDEN, die ihren Sitz eigentlich im System der Sonne ECPHOON hatte und in der Hauptsache für die TAARER Rohstoffe aller Art beschaffen sollte. Sie mussten vor 150 erdeJahren versucht haben, auf der Erde billig an Blutplasma heran zu kommen, was ihnen allerdings nicht gut bekommen ist.

VELL VANN jedenfalls war ein guter Gastgeber. Seine Wohnung in die er uns führte, bestand aus riesigen Stoffbahnen, die er wie Segel zu unserer Kühlung aufgestellt hatte. Dass er ständig auf dieser Welt lebte, konnte ich nicht unbedingt vermuten. Ich hatte eher den Eindruck in einem Nomadenzelt zu sein. Zwar riesig und mit allem Luxus ausgestattet, aber eben provisorisch. Das VELL VANN anders ist als die Humanoiden auf ihren kühlen Satelliten, zeigte auch seine Nebenbeschäftigung die er hier ausübte. Er betätigte sich mit Genehmigung der TAARER als Archäologe. Nur auf dieser Insel von 003-006-NANROC gab es seltsame Bodenzeichnungen, die nur aus großer Höhe zu sehen waren. Soweit ich VELL VANN verstand, konnte das wahre Alter dieser Zeichnungen nicht genau festgelegt werden. Sie seien aber älter als 200 Dekaden. Als er mir Darstellungen dieser Zeichnungen zeigte, kamen sie mir irgendwie bekannt vor. Ich hatte so etwas Ähnliches schon einmal gesehen. Etahan und ich hielten uns fast 3 erdeStunden bei VELL VANN auf. Dass er uns zu einem besonderen Fest einlud, daran kann ich mich sehr gut erinnern.

Der Aufenthalt auf 003-006-NANROC hatte mir gut getan. Als Etahan mich wieder auf dem Hotelsatelliten ablieferte, sprach er davon, dass wir öfter die Oberfläche dieser Welt besuchen würden. Ich bin nun mal das Leben auf Planeten gewohnt, trotzdem wollte ich auf die Bequemlichkeit des "Ruhe für Geist und Körper" nicht verzichten. Etahan jedenfalls hielt sein Wort – Alle Feste zu denen wie eingeladen wurden, fanden auf der Oberfläche von 003-006-NANROC statt. Sogar der Taarische Systemverwalter veranstaltete sein Fest in der alten Systemzentrale auf der Planetenoberfläche. Und auch sonst ging Etahan auf meine Eigenarten ein. Er streckte sein Besuchsprogramm, so das ich für jedes Fest und für jede Besichtigung mindesten zwei erdeTage Vorbereitungszeit zur Verfügung hatte. Ich nutzte sie, um mich mit der Geschichte der Zivilisation, dessen Mitglied uns eingeladen hatte, vertraut zu machen. Dafür ist die Würfelsammlung der TAARER wie geschaffen gewesen.

-6-

Das Fest des OROREN Elon-per-Junreil sollte der erste Termin im Programm von Etahan sein und am 12. Dezember 0/2152 in der Residenz der GAON KORMA auf dem Hauptkontinent von 003-006-NANROC stattfinden. Ein Pendler hatte uns zu einer achttürmigen Anlage gebracht, in dessen Mittelpunkt wir von ihm empfangen worden sind. Alle Vertretungen der GAON KORMA, die ich später besuchte, hatten diesen Aufbau. Acht, vielleicht achthundert Meter hohe Türme mit quadratischem Grundriss und einer Basis von ca. 200 Metern umstanden gleichmäßig einen quadratischen Platz mit einer Kantenlänge von etwa 1000 Meter. Die feien Ecken dieses Platzes ließen ihn seltsam ungefasst erscheinen. Ein runder, flacher Kuppelbau genau in der Mitte dieses Quadrates, sollte der Austragungsort des Festes sein.

Was Elon-per-Junreil hier aufgefahren hatte überraschte mich dann doch. Nach unserem Vorstellungsbesuch hatte ich mit so einem Aufwand nicht mehr gerechnet. Die gesamte Halle erstrahlte in einem Glanz, wie ich ihn nur einmal, bei einem Fest des :Sicherheitsrates: in Neuyork erlebt hatte. Damals ist die gesamte Museumsinsel in ein Lichtermeer verwandelt worden, um den Beitritt der MENSCHEN zur GAON KORMA zu feiern. Daran wurde ich erinnert, als ich den Saal betrat und noch etwas fiel mir sofort auf; es sind nur OROREN anwesend gewesen! Vielleicht einhundert Personen verloren sich fast in der riesigen, verschwenderisch mit XOS Büschen und anderen Pflanzen ausgestatteten, hell erleuchteten Halle. Überall standen - locker verteilt - Säulen mit terrassenförmig angeordneten Flächen herum, die mit den exotischsten Nahrungseinheiten voll gestellt waren.

Das hatte ich nun wirklich nicht erwartet, zumal die OROREN eigentlich als Asketen galten. Meine Würfel hatten sie mir jedenfalls so beschrieben. Unter Luxus verstanden sie heute eigentlich nur die Ausübung von Macht. Ihre Zivilisation besaß einen Wohnkomfort, dagegen ist meine Unterkunft auf "Ruhe für Geist und Körper" schon absolut übertrieben gewesen. Sie sind nicht sehr beliebt bei den Mitgliedern der Organisation, das hatte ich schon verstanden.

Elon-per-Junreil stellte uns verschiedenen Personen vor und erwähnte auch ihre Funktionen. Es herrschte eigentlich eine gute Stimmung. Steif und förmlich, wie ich die OROREN in Erinnerung hatte, gaben sie sich untereinander nicht. Und eigentlich sind sie unter sich gewesen. Wir beide, Etahan als TAARER und ich als MENSCH, wir fielen in der Menge von OROREN fast gar nicht auf. Ich merkte aber, dass sie mich alle immer im Blickwinkel hatten. Wenn ich mich abwandte, um mir die Halle anzusehen, endete es damit, dass ich von den Augen eines OROREN wieder eingefangen wurde.

Mein UKOM übermittelte meine ganze Überraschung und Verwunderung, meine Verlegenheit und Unsicherheit. Ich spürte es förmlich körperlich, wie eine Welle von freundlichen Gefühlen zu mir zurück strömte. Irgendwann saßen Etahan und ich dann wieder im Pendler und unter uns verabschiedeten sich Hunderte von winkenden OROREN. Ich bin damals vollkommen durcheinander gewesen. Meine Würfel hatten mir ein Bild von den OROREN vermittelt, das sie bei diesem Fest vollkommen widerlegt hatten. Ich durfte den Würfeln wohl nicht alles glauben. Sie sind schließlich von den TAARERN gefüllt worden und die verstanden sich mit den OROREN nicht besonders. Etahan gab keinen einzigen Kommentar zu dem Fest und zum Verhalten der OROREN mir gegenüber ab. Ich hatte auch nicht den Eindruck, dass er sich dafür besonders anstrengen musste.

Das Fest des IROITEN Gego Ge Garendin sollte am 16. Dezember stattfinden. Etahan schob die Besichtigung eines Systemtechnik Satelliten dazwischen.

Ein Sonnensystem der TAARER ist ein einziges großes technisches Gebilde. Kern dieses Gebildes ist der Portaldienst. Nur durch ihn kam man überhaupt erst in das System hinein. Gleichzeitig ist er aber auch ein Schutz. Kein Raumpeiler ohne die entsprechende Gegenstation, kann dieses Sonnensystem erreichen oder wieder verlassen. Und die TAARER sehen sich vorher an, wen sie in ihre Systeme hinein lassen. Es soll schon vorgekommen sein, dass eine einzige unerwünschte Person den TAARERN als Grund ausgereicht hatte, die Einreise eines ganzen Raumpeilers zu verweigern.

Das sind die Vorteile für den Portalbetreiber. Um diesen Dienst aber auch für Raumpeilerbetreiber interessant zu machen, hatte sich die TAARER etwas besonderes Einfallen lassen. Der Portaldienst ermöglicht den Einflug auch dann, wenn der Peiler noch bis zu 110 lichtJahre vom Zielsystem entfernt ist. Für den Raumpeiler entstehen dabei keine Energiekosten und was noch viel wichtiger ist - kein Zeitverlust. Wenn der Leiter eines Peilers sich erst einmal beim Portaldienst angemeldet hatte und anerkannt worden ist, lagen alle weiteren Funktionen in der Hand des Zielportals. Es kam dann schon mal vor, das ein angemeldeter Raumpeiler einige Zeit warten musste, bis ihn der Dienst ins System holte. Deswegen ist irel-421-et bei unserem Portaldurchgang wahrscheinlich auch so schnell verschwunden. Er hatte wohl nicht mit einer so zügigen Einreise gerechnet.

Die Zentrale dieses Dienstes ist unser erstes Besichtigungsziel gewesen. Der Satellit umlief die Sonne 003-NANROC in der Bahn des dritten Planeten. Kam mir die Systemverwaltung schon gigantisch vor, so ist sie winzig im Vergleich zur Portalverwaltung. Da ich beim direkten Anflug irgendwie abgelenkt wurde, bekam ich ihn nicht vollkommen mit. Erst als sich vor mir ein Lichtloch in einer schwarzen Wand öffnete, konzentrierte ich mich wieder auf meine Umgebung. Aber da sind wir dann schon im Satelliten drin gewesen. Wenn ich es mir genau überlege, habe ich eigentlich nie einen Portalsatelliten direkt gesehen. So muss ich bei seiner Beschreibung auf meine Würfel zurückgreifen.

Die gesamte Portaltechnik ist auf 12 Großsatelliten verteilt, die in Bahnen bis zum dritten Planeten um die jeweilige Portalsonne kreisen. Ihr Aussehen ist der Funktion der Teilaufgabe angepasst, folgt aber immer dem Ideal der TAARER - den quadratischen Formen. Der Verwaltungssatellit, den wir besichtigten, bestand aus mehreren Einzelteilen. Kern ist ein Würfel mit einer Kantenlänge von über 100 Kilometern gewesen. Von jeder seiner sechs Flächen ragten mehrere hundert Kilometer lange eckige Röhren in den Raum. An ihren Enden hingen dann die Funktionsträger in ihrer technisch bedingten Form. Jeder dieser Gondeln ist um einiges größer als der Satellitenkern selbst.

Wie der Portaldienst wirklich arbeitet, kann ich mir selbst heute noch nicht vorstellen. Was mich damals allerdings hellhörig machte, ist der Hinweis gewesen, dass eine Mineraloide Lebensform wesentlich zu seiner Funktion beiträgt. Den TAARERN ist es - wie auch immer - gelungen die GERINTO ASELAN in ihren Portaldienst zu integrieren. Sie sind die Lieferanten der Tunnelenergie, mit dem ein Raumpeiler "angesaugt" werden konnte. Der UKOM gehört ebenfalls zur Portaltechnik dazu. Ohne ihn könnte die Portalverwaltung ja gar nicht feststellen, wer sich wirklich auf dem einreisenden Raumpeiler befindet. In jedem UKOM aber steckt ein RAPI Kristall und die RAPI sind auch eine Mineraloide Lebensform und Mitglied in der GAON KORMA, die GERINTO ASELAN übrigens auch.

Ich begriff etwas von dem komplizierten Netzwerk, das den Portaldienst erst möglich machte. Wie sahen wohl die Anfänge aus? Ein Portal Sonnensystem lohnte sich eigentlich erst bei einem gewissen Verkehrsaufkommen. Mit einer Bewertung ist es eigentlich gar nicht zu bezahlen. Aber ich hatte schon gemerkt, dass die TAARER nicht ökonomisch dachten.

Gego Ge Garendin hatte für sein Fest eigens einige neue Gebäude aufstellen lassen. Auch bei ihm fiel mir der ungeheure Aufwand auf, den er für das Fest getrieben hatte. Es sollte zu einem Ereignis werden, das ich so schnell nicht vergessen würde. Die IROITEN schienen abstrakte Formen zu mögen. Die neuen Türme sahen aus, wie aus einem Alptraum. Schwere Plattformen wurden nur an einem Rand von filigranen Säulen getragen. Auch sonst schienen alle Gesetze der Schwerkraft verletzt worden zu sein. Ein fast dreihundert Meter hoher Turm schwebte auf einer kleinen durchsichtigen Kugel. Und alles sei nur für das Fest aufgebaut worden, damit prahlte GG Garendin schon bei der Begrüßung. Das Hauptgebäude seiner Niederlassung ist dagegen eher unscheinbar gewesen. Eine schwarze runde Säule von vielleicht 100 Meter Höhe. Alle neuen Gebäudeteile gruppierten sich um sie herum. Weit und breit gab es sonst nur gepflegte Grünanlagen. Dicht bevölkert schien 003-006-NANROC nicht mehr zu sein.

GG Garendin hatte auch nur IROITEN zu seinem Fest eingeladen. Es fiel mir am Anfang gar nicht so auf, weil seine Gäste die verschiedensten Humanoiden Körperformen, Größen und Farben besaßen und natürlich die verrücktesten Kleider trugen - oder auch nicht. Nacktheit öffentlich zu zeigen, schien für IROITEN kein Problem zu sein. Auffällig sind die Farben gewesen, mit der mache Gäste sich bemalt hatten. Sie erinnerten mich an die Sitten der Alten Menschheit, sich vor einem Kampf die Lippen und Augen zu färben, damit sie irgendwie größer wirkten.

Gegenüber der Aufmerksamkeit aller Gäste beim Fest des OROREN Elon-per-Junreil, hatte ich beim IROITEN GG Garendin den Eindruck, seine Gäste kümmerten sich nur um sich selbst. Alle waren sie ausschließlich mit sich selbst beschäftigt. Ich stand bei diesem Fest längst nicht so im Mittelpunkt wie bei den OROREN. So hatte ich etwas mehr Freiraum für meine stillen Beobachtungen.

Ein seltsames Volk hatte GG Garendin da zusammen gebracht. Sie kamen mir alle irgendwie berauscht, aufgedreht und hemmungslos vor. So schienen sie es als vollkommen normal anzusehen, sich in aller Öffentlichkeit sexuellen Handlungen hin zu geben. Meist standen andere um die Artisten herum und gaben Kommentare ab; was besonders interessant war, oder was man noch verbessern konnte. Manchmal machten sie es dann auch vor.

Zwei große dunkelhäutige IROITEN, die unbekleidet in einer großen durchsichtigen Schüssel mit grünem Wasser planschten, schwammen an den Rand und zogen weitere Gäste, die nahe am Schüsselrand standen, gewaltsam mit hinein, um sich mit ihnen im Wasser zu Vergnügen. Am Ende verschwanden die meisten Gäste in den Grünanlagen und man hörte nur noch seltsame, ekstatische Geräusche. Die wenigen Gäste, die nicht in den Büschen verschwunden sind, lagen einzeln in kleinen Wannen und ließen sich von Schwebeplatten mit exotischen Speisen versorgen.

So vergnügen sich also IROITEN.

GG Garendin jedenfalls schien begeistert über das gelungene Fest. Mein UKOM muss meine Verstörtheit übersetzt haben, jedenfalls meine Etahan, das es so bei den IROITEN üblich sei. Er hätte aber schon Feste auf 001-DESTAAR erlebt bei dem es sogar Tote gegeben hatte. Er schien das als besonderen Höhepunkt zu bewerten. Ob es auf diesem Fest Tote gegeben hat, erfuhr ich nie. Ich verstand überhaupt nicht, wofür die vielen neuen Bauten errichtet worden sind. Das gesamte Fest fand eigentlich in den Grünanlagen statt. Später erfuhr ich von Etahan, das GG Garendin über 500 Gäste extra hatte einfliegen lassen und für sie diese luxuriösen Wohnungen brauchte. Bei den IROITEN schien ein Fest erst dann gelungen zu sein, wenn möglichst viele Gäste in ekstatischer Stimmung fast vergingen.

Ich war froh, als Etahan mich wieder im "Ruhe für Geist und Körper" absetzte. Später teilte er mir noch mit, dass das Fest einige hundert erdeStunden gedauert hätte und alle mit dem Ergebnissen sehr zufrieden seien.

Etwas Seltsames hatte ich auf diesem Fest verspürt. Das ungehinderte Ausleben von Sexualität in aller Öffentlichkeit ist für mich vollkommen neu gewesen. Ich will nicht behaupten, dass ich körperliche Sexualität nicht auch interessant finde. Nur hatte sie in meinem Leben nie die Rolle gespielt, wie sie ihr die IROITEN für ihr Leben zugewiesen hatten. Wenn ich es genau überlegte, bin ich bis zu diesem Zeitpunkt keine fünf Mal sexuell aktiv gewesen und nur zwei Ergüsse, hatte ich mit einem Partner zusammen erlebt. Das eine mal ist es Will Bonner, der /KAF Alleiner und das andere mal Maria de Cobeel die /KRM Reisende gewesen. Es war in beiden fällen eine interessante, unvergleichbare Erfahrung für mich. Will - ein gewalttätiger Mann und Maria - eine anschmiegsame Frau. Keine dieser beiden Begegnungen wollte ich aber als Grundlage oder festen Bestandteil meiner eigenen Sexuellen Ausrichtung ansehen.

Vielleicht hat Sexualität bei uns MENSCHEN heute deshalb nicht mehr den Stellenwert, weil wir ja nicht mehr gezwungen sind, uns auf diese archaische und unsichere Weise fortzupflanzen. Alle Mitglieder der MENSCHEN werde ja aus überarbeiteten, "reinen" Genen in den Tangs auf dem Mond und nur auf Anforderung gezeugt. Was ungehindert ausgelebte Sexualität verursachen konnte, hatte uns die Alte Menschheit ja geleert. Selbst 50 erdeJahre nach dem Tod der letzen Vertreterin dieser Art müssen wir noch am Rückbau ihrer Hinterlassenschaften arbeiten. Mein eigenes rückbauJahr ist mir heute noch in guter Erinnerung.

Das die IROITEN zum größten und mächtigsten Humanoiden Volk in GAON hatten aufsteigen können, erschien mir angesichts ihres Lebenswandels unverständlich. Wahrscheinlich besaßen sie nur genügend Satelliten und Welten, auf denen sie sich verteilen konnten. Laut meiner Würfel praktizierten sie keine zentrale Genkontrolle. Deshalb gab es wohl auch die vielen unterschiedlichen Körperformen und Farben auf dem Fest von GG Garendin. Nur beim Auftauchen eines genetischen Defektes, der zur Entstehung von nicht Ichbewussten IROITEN führen konnte, griffen sie ein. Die OROREN dagegen sahen alle fast gleich aus. Das sie eine der Stammzivilisationen der IROITEN sind, darauf wäre ich von selbst nicht gekommen.

Ich brauchte einige Zeit um mich von diesem Fest zu erholen. Die öffentliche Zurschaustellung Sexueller Handlungen hatte mich nicht etwa stimuliert, wie es von GG Garendin wohl gedacht war, sondern eher nachdenklich gemacht. Mit einer entsprechenden technischen Ausstattung kann man sich innerhalb der GAON KORMA auch den Luxus planloser Vermehrung leisten. Die OROREN, die als Ursprung der meisten Humanoiden Zivilisationen in GAON gelten, hatten sich zu einer asketischen Zivilisation, mit durchgearbeiteten Genen und einer strickten Geburtenkontrolle entwickelt und dabei die Persönlichkeit des einzelnen Mitglieds etwas vernachlässigt. Bei den IROITEN aber - die in ihrer Gesamtheit in den Würfeln auch als Verbindungsrasse bezeichnet werden - lebte der einzelne in einer solchen persönlichen Freiheit, das man diesen Zustand schon als extrem bezeichnen musste. Genetische Kontrollen fanden bei ihnen nur in den seltensten Fällen statt und der Begriff Geburtenkontrolle kannten sie überhaupt nicht. Für sie ist selbst der Tot noch ein erstrebenswerter Zustand, wenn er nur ekstatisch genug eintritt.

Dass es innerhalb der Völker der Humanoiden Entwicklungslinie solche extremen Unterschiede gab, verwunderte mich doch sehr. Ich war gespannt auf das Fest der ARILEN. Sie sind der andere Teil des IROITEN Stammbaums. Ihr Fest sollte aber erst am 20. Dezember stattfinden. Etahan hatte keinen weiteren Besuchstermin dazwischen gelegt, weil er wohl begriffen hatte, dass ich so schnell im Denken nicht bin. Ich bat den Hotelleiter noch mehrmals um seine Dienste. Das sind eben die Vorteile einer individuell ausgerichteten Zivilisation. Sie bringt auch solche Künstler wie Ogl On Onera hervor.

Auf dem Fest der ARILE el-Anslin-Delrigen befanden sich als Gäste nur weibliche Vertreterinnen dieses Humanoiden Zweiges. Große Frauen mit üppigen, ausladenden Figuren und außergewöhnlichen Haartrachten. Die Würfel hatten zwar von einer Matriarchalischen Gesellschaftsform gesprochen, aber ich hatte nicht damit gerechnet nur Frauen anzutreffen. Bei den beiden anderen Festen hatte es eine Mischung der Geschlechter gegeben, sogar bei den OROREN. Ihr Gesellschaftssystem beschrieben die Würfel als Demokratisches Patriarchat. Die ARILEN schienen davon nichts zu halten. Die Arilische Profession der Kommunikation mit Fremdzivilisationen wird nur vom weiblichen Teil dieses Volkes ausgeübt. So hatte el-Anslin nur die Mitarbeiterinnen der hiesigen ARILEN Niederlassung zur Verfügung gehabt, männliche ARILEN gab es hier gar nicht.

Das Fest sollte auf der Nachtseite von 003-006-NANROC stattfinden. Wir flogen auf ein geometrisches Muster zu, das aus unzähligen Lichtern gebildet wurde. Sie zeigten auf einem gelben Untergrund eine große rote Scheibe, die mit einem dunkelgrünen Balken in der Mitte geteilt erschien. Es sollte das Symbol der ARILEN Zivilisation darstellen. el-Anslin schien es wichtig zu sein, sich deutlich als Teil ihres Volkes zu präsentieren. Wir landeten auf einer Lichtung mitten in einer wilden Naturlandschaft ohne jede Spur eines künstlichen Eingriffes.

Die ARILEN hatte auf mehreren runden Schwebeplatten, die über diesem Naturreservat verteilt waren, kleine Kulissen aufgebaut, die wichtige geschichtliche Ereignisse ihrer Zivilisation nachbilden sollten. Etahan und ich wechselten vom Pendler auf die persönliche Schwebeplatte von el-Anslin, mit der wir dann die einzelnen Kulissen abflogen. Jede Kleinigkeit ist von ihr für diesen Abend sorgfältig geplant worden. Es fing damit an, dass es auf ihrer Schwebeplatte keine Sitzmöbel gab und wir stehend oder an eine Brüstung angelehnt - von allen Seiten erreichbar - den Abend verbrachten. Etahan und ich, wir wurden von leicht bekleideten ARILEN bedient, die den direkten Körperkontakt suchten. Und das ist vollkommen neu für mich gewesen. Ich spürte zum ersten Mal auf dieser Reise die Berührungen von Wesen, die nicht von der ERDE stammten. Weder auf dem INSORINE Raumpeiler noch auf dem "Ruhe für Geist und Körper" Satelliten oder den beiden Festen des OROREN Elon-per-Junreil und des IROITEN GG Garendin, bin ich von irgendjemandem direkt berührt worden. Auch Etahan und OO Onera blieben immer außerhalb meiner Reichweite. Aber die ARILEN umarmten mich, sie alle suchten einen direkten körperlichen Kontakt und streichelten mich fast automatisch wenn ich ihre Nähe kam. Dabei schien ihnen keine Stelle meines Körpers tabu zu sein. Sie halfen mir, mich zu entspannen.

Eine ARILE, die wohl den Auftrag hatte, sich besonders um mich zu kümmern, verstand ihr Geschäft besonders gut. Sie reichte mir nicht nur die Getränkeschläuche und Nahrungseinheiten, sondern ermutigte mich, selber aktiv zu werden. Ich begann sie zögernd und vorsichtig zu berühren. Sie unterstützte mich dabei, indem sie meine Hand ergriff und über ihren Körper führte. In mir entstanden neue Gefühlswelten, die mir bis dahin unbekannt geblieben sind. Ich spürte die Weichheit und die Wärme ihrer Haut. Ihr Umhang floss wie Wasser durch meine Finger. Ihre üppigen Brüste hatten auf mich tatsächlich eine erotische Ausstrahlung. Das, was GG Garendin mit seinem Fest der offen zur Schau gestellten Sexuellen Handlungen nicht geschafft hatte, hier erlebte ich es. Und el-Anslin-Delrigen hatte es mir vermittelt. Es sollte später ein wesentlicher Bestandteil meiner Beziehung zu dieser Zivilisation werden.

Von den geschichtlichen Ereignissen die die ARILEN in den Kulissen dargestellten und die ich mit bekam, hier ein kleiner Überblick. Ein sich ausdehnender gelber, durchsichtiger Lichtball nahm alle ARILEN der Kulisse auf und innerhalb dieser Lichtkugel sah man sie nach oben schwebten. Gemeint ist hier wohl ihre Bewusstwerdung als eigenständige Zivilisation gewesen. In einer anderen Gruppe entstand ein roter Lichtblitz, der alle ARILEN von der Schwebeplatte drängte. Das sollte wohl den Bruch innerhalb ihrer Zivilisation vor 90 Dekaden durch den Reprokrieg andeuten. Die Verdrängten schwebten auf eine neu entstandene weiße, undurchsichtige Lichtkugel zu, die mit jeder Person, die in ihr verschwand, größer und größer wurde. Das sollte dann die Entstehung der neuen ARILEN Zivilisation darstellen. Aus den Augenwinkeln konnte ich beobachten, wie die ARILEN auch Etahan berührten und streichelten. Weil er so groß ist, schwebten sie ständig um ihn herum. Technische Einrichtungen, die das ermöglichen, konnte ich nicht erkennen. Er nahm es hin, ohne eine Reaktion zu zeigen. Auch die Geschichten der ARILEN ertrug er mit Gelassenheit. Nicht einmal der Hinweis auf den Reprokrieg konnte ihm eine Reaktion entlocken, obwohl es die TAARER gewesen sind, die damals die Zivilisation der ARILEN zerstört hatten. Ich jedenfalls verließ dieses Fest sensibilisiert auf meinen neu entdeckten Tastsinn. Ich konnte einfach nicht widerstehen in der Eingangshalle des Hotelsatelliten vorsichtig einen XOS Buch zu streicheln. Seit diesem Augenblick sind mir auch die XOS nicht mehr fremd.

Da el-Anslin ihr Fest regelrecht inszeniert hatte, bekam ich nur einen kleinen Einblick in die Zivilisation der ARILEN. Ihre freizügige Art diente der schnellen Kontaktaufnahme und gehörte zu ihrer Profession. Das Verhalten von Etahan konnte mir auch nicht weiter helfen. Er musste ja alles mitmachen, weil er die Aufgabe hatte, mich zu unterstützen. Das es innerhalb der GAON KORMA im Zusammenleben mit den ARILEN aber einige Unklarheiten gab, war mir auf der Reise schon aufgefallen.

Wie die ARILEN - als ein Teil des IROITEN Stammbaums - Einfluss auf diese Zivilisation genommen hatten, konnte ich nur vermuten. Vielleicht war ihre Freizügigkeit die Basis für das ungehemmte Zeugungsverhalten der IROITEN. Die ARILEN praktizierten für sich eine strikte Genkontrolle, so wie es auch die OROREN taten, trugen ihren Nachwuchs aber auf natürliche Weise selber aus. Die IROITEN machten es genau umgekehrt. Sie zeugten planlos und überließen die Reifung einer befruchteten Eizelle den Tanks. Ihre Zeugungsgewohnheiten unterschieden sich somit gewaltig von dem ihrer beiden Stammzivilisationen. Und trotzdem sind die IROITEN die größte und mächtigste Humanoide Zivilisation innerhalb der GAON KORMA. Die OROREN sind zwar die Verwalter der Organisation, aber als Zivilisation erscheinen sie eher unbedeutend. Eine einheitliche Zivilisation der ARILEN existiert seit dem Reprokrieg nicht mehr. Sie ist heute in über 20 unabhängige Teilreiche aufgespalten und mit ihrer Profession sind sie auch nicht konkurrenzlos.

Dieses Fest hatte mir einerseits einen neuen Weg bei der Benutzung meiner eigenen Sinne gewiesen, die Zivilisation der ARILEN und ihre Stellung innerhalb der GAON KORMA aber nicht näher gebracht. Die Floriden XOS sind mir durch eine einzige Berührung da sehr viel vertrauter. Ich nahm sie jetzt überall wahr und sie schienen eine Art Kollektivbewusstsein zu besitzen, obwohl die Würfel nichts davon erwähnten. Seit diesem Abend jedenfalls begrüßte ich immer alle XOS Büsche die irgendwo herumstanden, einfach nur durch einen aufmerksamen Blick, den Rest übersetzte mein UKOM und ich bekam immer einen freundlichen Gruß zurück.

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Der Zeitplan von Etahan sah für den 22. Dezember 0/2152 den Besuch der Geschichtssammlung der Taarischen Zivilisation vor. Eine der Aufgaben eines Mitglieds der GAON KORMA ist es gewesen, dieses Zivilisationsarchiv anzulegen und zu pflegen. Meistens entstanden diese Einrichtungen in den Hauptsystemen der jeweiligen Völker. Bei uns MENSCHEN erfühlt die Museumsinsel Menhetten diesen Zweck. Etahan und ich befanden uns aber nicht im Hauptsystem der TAARER, sondern in ihrem Verwaltungssystem für den Kernsektors "West Nordwest".

Die Richtung "West Nordwest" ist die Übersetzung meines UKOMS für die Bezeichnung eines Teilbereichs, des von den TAARERN beanspruchten Kernsektors. Zum Verständnis für die Positionsbestimmungen innerhalb GAONS, übersetzte mein UKOM immer nur die ungefähre Richtung eines Systems - ausgehend vom GAON KORMA Mittelpunktsystem DAGOR. Sein Standort wird immer mit "Süd Südwest Mitte Unten" angegeben. "Süd Südwest" meint dabei die festgelegte galaktische Richtung, "Mitte" die Lage innerhalb der galaktischen Scheibe und mit "Unten", wird der Standort in der jeweiligen galaktischen Ebene bezeichnet. Für die Positionsberechnung eines Raumpeilers benutzte man natürlich sehr viel genauere Angaben. Sie basierten aber immer auf dieser groben Richtungsvorgabe. Unsere SONNE und 003-NANROC zum Beispiel hatten beide den Standort "West Mitte Oben" obwohl beide Systeme 216 lichtJahre auseinander lagen.

Das System 003-NANROC lag somit im nordwestlichen Zipfel des Taarischen Kernsektors. Der Begriff Kernsektor ist ein Relikt aus ferner Vergangenheit und nur wenige große und alte Zivilisationen benutzten ihn noch. Heute verteilen sich die Sonnensysteme einer Zivilisation über die gesamte Galaxis. Der alte Begriff Kernsektor bezeichnete einen Sternensektor, der von einer Lebensform als ihr Hoheitsgebiet angesehen wurde, mit allen Sonnen und sonstigen kosmischen Objekten darin. In der Vergangenheit muss es aber öfters zu Unklarheiten bei den Grenzen eines Kernsektors gekommen sein. Die GAON KORMA führte deshalb das Prinzip der Katalogsysteme ein. Alle Sonnensysteme, die ein Volk zu seinem Kernsektor zählen will, müssen von ihm katalogisiert sein. Diese im KOSMIC-LINK öffentlich ausliegenden Kataloge sind bei Streitigkeiten heute ausschlaggebend. Die TAARER sind eine der Zivilisationen, die den Begriff Kernsektor noch sehr genau nehmen. Trotzdem ist es auch ihnen bis heute nicht gelungen, alle Sonnen in ihrem Kernsektor zu katalogisieren. So existieren hier schon über 50 Systeme mit der Zuordnung zu einer anderen Zivilisation. Die TAARER ihrerseits besitzen aber auch neu besiedelte Systeme in den noch ausgewiesenen Kernsektoren der IROITEN, SULANER, OROREN und der Oxioiden Lebensform der FIUS.

Das Taarische Zivilisationsarchiv hatte natürlich seinen Sitz auf 001-JANTAAR, dem elften Planeten ihres Hauptsystems, der Blauen Großsonne 001-TAAR, über 6.000 lichtJahre Richtung „Süd Südost“ von 003-NANROC entfernt. Die weite Ausdehnung ihrer Zivilisation ließen es den TAARERN aber wohl ratsam erscheinen, so genannte Externe Zugriffe zu erlauben. So existierte nicht nur im System 003-NANROC ein Satellit, der mit speziellen technischen Einrichtungen ausgestattet ist, um direkt auf die Speicher des Museumsplaneten 001-JANTAAR zuzugreifen. Wichtige Gegenstände, wie zum Beispiel die Taarische Urgenmatrix, existierten hier sogar als Datenschablone und konnten jederzeit mit Formenergie realisiert und mit dem Mineral VLO-NEC stabilisiert werden. So stand es wenigsten in meinen Würfeln.

Etahan und ich hatten einen Satteliten betreten, der so ähnlich aussah, wie die Systemverwaltung und sogar dessen Größe besaß. Der wesentliche Unterschied, der mir hier auffiel, war die Stille und die Dunkelheit. Ich glaubte bei Etahan so etwas wie Stolz wahrgenommen zu haben, als er mir das Prinzip des Externen Zugriffs erklärte. Innerhalb der GAON KORMA sei dass einmalig. Soweit ich mich erinnere, ist diese Technologie schon nicht schlecht gewesen, aber wirklich zu gebrauchen war sie für mich nicht. Der Satellit stand der Öffentlichkeit nämlich nicht zur Verfügung. Ich - als ~DES~ Reisender - durfte ihn zwar betreten, richtig arbeiten konnte ich auf ihm aber nicht. Hier gab es keine frei zugänglichen Abfrageeinrichtungen. Überall standen TAARER herum, die mich nicht aus den Augen ließen. Nicht einmal Sitzgelegenheiten hatten sie aufgestellt. Der Satellit kreiste übrigens um den geheimnisvollen fünften Planeten und der Besuch dauerte nur zwei erdeStunden. Von der Reprowelt 003-005 bekam ich nur eine Wolkenverhangene, grauweiße Atmosphäre zu sehen.

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Am 25. Dezember fand endlich das Fest des EMPORIDEN VELL VANN statt. Bei meinen Vorbereitungen bin ich immer wieder auf einige interessante Einzelheiten gestoßen. Die EMPORIDEN sind eigentlich keine eigenständige Lebensform, sondern mehr ein politischer Zusammenschluss von über 600 unterschiedlichen NEPLASMA Zivilisationen. Entstanden ist dieses Gebilde natürlich durch den Einfluss der TAARER vor 62 Dekaden, also noch vor der Gründung der GAON KORMA. Um die Besonderheit der Existenz dieses Bundes zu begreifen, musste ich erst sehr weit in die Geschichte von GAON zurückgehen und mit dem Auftauchen des PLASMA beginnen.

Mit der Bezeichnung PLASMA meinten meine Würfel verschiedene Inhalte. Einmal sprachen sie von einer Instinktbehafteten, unintelligenten Lebensform, die mit ihrem Auftauchen - vor über 300 Dekaden - den Beginn der heute nachvollziehbaren Geschichte in GAON markierte. Dann bezeichneten sie noch einen ganzen Rassenstamm mit diesem Begriff. Er sei die Basis aller heutigen PLASMA, NEPLASMA und Neu-Humanoiden Zivilisationen innerhalb der GAON KORMA.

Veränderten im Laufe der Evolution die "reinen" PLASMA Lebensformen ihr Aussehen und ihre Biologie nicht sonderlich, so sind NEPLASMA Zivilisationen heute nicht auf den ersten Blick als solche zu erkennen. Teile des PLASMA passten sich in über 200 Dekaden den verschiedensten, existierenden genologischen Lebensformen an und integrierten sich in deren jeweilige Biologische Struktur. Sie gingen mit ihnen sozusagen eine tiefe Symbiose ein und so entstand der NEPLASMA Rassenstamm. Aus einer dieser Zivilisationen - der RAHNN - entwickelten sich später die TAARER, die wegen ihres Aussehens als Neu-Humanoide bezeichnet werden und diesen Rassenstamm begründeten. Sie wiederum sind es dann gewesen, die über mehrere Dekaden hinweg die anderen, uneinheitlichen NEPLASMA Zivilisationen suchten und zu einem Politischen Bund zusammenführten. Natürlich wird dieser Bund heute von ihnen kontrolliert. Die EMPORIDEN sind die größten Rohstoffesschließer in GAON und ihr Hauptkunde sind die TAARER. VELL VANN gehörte zu den SKELKS, einer NEPLASMA Lebensform mit Reptiloider Basis, aus dem System der Sonne ECPHOON. Sein Standort wird ebenfalls mit "West Mitte Oben" angegeben da es auch nur 300 lichtJahre vom System 003-NANROC entfernt ist.

VELL VANN veranstaltete das Fest natürlich auf seinem Anwesen, auf der Oberfläche von 003-006-NANROC. Er hatte eine ganze Zeltstadt aufgebaut um seine vielen Gäste unterbringen zu können. Es wimmelte förmlich von SKELKS in allen Altersstufen, als Etahan und ich mit einem Pendler sein Anwesen erreichten. Auf seinem Fest sah ich zum ersten Mal auf dieser Reise Kinder, Heranwachsende und Greise. Zwar in der Form der Reptiloide SKELKS, aber immer hin gab es das bei ihnen. Die TAARER kannten Entwicklungsstufen einer einzelnen Lebensform überhaupt nicht und die drei Humanoiden Zivilisationen, die ich bis jetzt kennen gelernt hatte, zogen es vor, nur den aktiven Teil ihrer Mitglieder als Gäste in ein Taarisches System zu entsenden. Die SKELKS hingegen traten auch auf Gastwelten immer als Sippe auf. Erst sehr viel später sollte ich begreifen dass eine NEPLASMA Zivilisation eigentlich auch keine Entwicklungsstufen eines Einzelindividuums kannte. Auf dem Fest von VELL VANN fiel mir damals nur auf, wie vorbildlich sich auch die kleinsten SKELKS benahmen. Unkontrolliertes Verhalten, wie wir es von unseren Kindern, Heranwachsenden und Greisen gewohnt sind, kam bei ihnen nicht vor.

VELL VANN empfing uns vor dem Pendler und geleitete uns durch ein Meer sich schlängelnder Körper in sein eigenes Zelt. Es erschien mir sehr viel größer als bei unserem ersten Besuch und irgendwie vertrauter. Bis ich endlich darauf kam, das er Einrichtungsgegenstände aus meinem direkten Erfahrungsbereich aufgestellt hatte. Es gab auf kleinen Emporen die mir so bekannten Matten in verschiedenen Qualitäten und normale Sofas, in die man tief einsank. Die Speisen hatte er auf richtigen Tischen anordnen lassen. Als Getränke standen Weiß- und Rotwein und einige verfeinerte Produkte aus einem dieser Grundstoffe bereit. Sogar gegorener Gerstensaft und einige schwarze Getränke mit unterschiedlichen Temperaturen hatte VELL VANN aufgefahren. Es viel mir allerdings schwer, auf diesem Fest überhaupt etwas zu essen oder zu trinken. Die in Massen umher fliegenden Insekten waren einfach überall. Auf den drei anderen Festen sind sie mir überhaupt nicht aufgefallen. Hier hingen sie in dichten Schwärmen in der Luft. Die Körper aller SKELKS sind immer mit ihnen bedeckt gewesen und nur ihr nackter Geierkopf blieb von ihnen verschont. Wenn Etahan und ich mit unserem Zweimeter Radius an einem SKELK vorbei kamen, stoben die Insekten in dichten Wolken auseinander.

Ich wählte eine weiche Matte als Sitzgelegenheit und ein Getränk aus einem kleinen Fass. Ich fühlte mich auf diesem Fest irgendwie entrückt. Auf einer fremden Welt, mit fremden Lebensformen, aber in einer vertrauten Umgebung. Eigentlich ist es eine Bosheit von VELL VANN gewesen, mir alle die vertrauten Gegenstände zu präsentieren, sie aber durch die Insektenschwärme für mich ungenießbar zu machen. Wenn er schon so viel Sorgfalt auf diese Ausstattung gelegt hatte, dann hätte er auch die Insektenplage beseitigen können. Aber so waren die SKELKS nun einmal. Sie gingen einem Gast immer nur bis zur Hälfte entgegen. Erst von Etahan erfuhr ich später wieder, das es gerade die so aggressiven Insekten waren, die die EMORIDEN veranlassten auf 003-006-NANROC zu leben. Der Reptiloide Teil ihrer Biologie schien von den Insektenstichen geradezu wie berauscht.

VELL VANN stellte uns seinen Clan vor. Viele kleine, mittelgroße, große und sehr große Geierköpfe mit Schlangenkörper. Geschlechtliche Unterschiede machte er nicht, weibliche SKELKS schien es nicht zu geben. VELL VANN war Vater und Mutter zugleich. Er sprach von seinen Archäologischen Arbeiten, seinen Handelsgeschäften und seiner Vorliebe für 003-006-NANROC. Auf keiner anderen Welt könne er sich vorstellen zu leben. Für einen weit gereisten Händler kam mir das seltsam vor. Gaben mir die anderen Feste wenigstens einen kleinen Einblick in die jeweilige Zivilisation, so war das bei VELL VANN keineswegs der Fall. Er hatte die gesamte Ausstattung aus dem Gewohnheitsumfeld eines MENSCHEN übernommen und seine Sippe hielt immer einen gebührenden Abstand, aus Angst ihre Insekten zu verlieren. Mein UKOM übersetzte nicht einmal ihre Stimmungen. Das er über uns MENSCHEN so genau Bescheid wusste, dass war die eigentliche Überraschung für mich. Auf der Erde jedenfalls hatte ich noch keinen SKELK gesehen und die ersten Kontakte mit ihnen lagen in ferner Vergangenheit und betrafen noch die Alte Menschheit.

Ich kam irgendwie unzufrieden wieder ins "Ruhe für Geist und Körper" zurück. VELL VANN hatte es geschafft, mich zu verunsichern. Ich hatte Vorurteile im gegenüber entwickelt. Das ging mir zum ersten Mal auf dieser Reise auf. Vielleicht war es der abstoßende Geierkopf oder die kreatürliche Angst vor Schlangen. Vielleicht war es auch ihr Geruch oder ihre Art des Umgangs mit Insekten. Ich weis es heute nicht mehr genau. Wahrscheinlich ist meine Unbefangenheit durch die intensive Vorbereitung verschwunden, denn bei unserem Vorstellungsbesuch hatte mir sein Aussehen nichts ausgemacht. Ich bin damals sehr unzufrieden mit mir gewesen, als ich kurz die Bekanntschaft mit Lovanal machte. In der belebten Eingangshalle des Hotelsatelliten lief er mir für wenige erdeSekunden über den Weg.

Seit Etahans Eingreifen konnte ich mich wieder frei auf dem Satelliten bewegen, ohne von einer Prozession gläubiger Jünger verfolgt zu werden. Wie er dass geschafft hatte, war mir nicht bekannt. Konnten die TAARER Humanoide Begeisterung ein- und ausschalten wie sie es brauchten?

Ein Lichtblitz schreckte mich plötzlich auf und ich wurde auf einen großen schlanken Humanoiden aufmerksam, der an einer der Säulen der Hotelverwaltung stand. Hinter ihm hing eine Schwebeplatte in der Luft, auf der verschieden großen Gepäckstücke lagen. Von ihr musste der Lichtblitz ausgegangen sein. Sie setzte sich auf einmal in Bewegung und schwebte sehr schnell direkt auf mich zu. Ich hatte plötzlich den Eindruck, als würde eine dunkle aber durchsichtige Fläche zwischen mich und der sich schnell nähernden Schwebeplatte geschoben. Eine aus dem Nichts aufgetauchte Kugel schwebte auf die Platte zu und die Gepäckstücke auf ihr verschwanden. Die jetzt leere Schwebeplatte blieb stehen und bewegte sich langsam zu ihrem Ausgangsort zurück - den Humanoiden aber konnte ich dort nicht mehr entdecken. Die dunkle Fläche und die schwebende Kugel verschwanden eben so lautlos wie sie entstanden sind und der gesamte Vorgang schien den anderen Gästen in der Halle nicht aufgefallen zu sein.

Und dann stand er neben mir, der großer schlanker Humanoide, von dem ich später erfuhr, dass er sich Lovanal genannt hatte. Und wieder hatte ich den Eindruck, als schöbe sich eine dunkle, durchsichtige Fläche zwischen uns beide. Sein Körper löste sich vor meinen Augen auf und schrumpfte zu einem undefinierbaren Klumpen zusammen, der dann vollständig verschwand. Das allerdings blieb nicht unbemerkt. Zwei weibliche Humanoide kamen auf mich zu und geleiteten mich, ohne eine Erklärung abzugeben schnell zu meiner Wohnung. Ich war doch einigermaßen überrascht. Sollte das jetzt ein Attentatsversuch gewesen sein? Hier auf einem Hotelsatelliten im System 003-NANROC der TAARER? Etahan jedenfalls konnte ich nicht fragen, der lies sich zwei erdeTage nicht blicken.

Erst am 28. Dezember, auf dem Weg zum Fest des Taarischen Systemverwalters Flahan-S003, erklärte Etahan mir, das eben dieser allgemein bekannte Lovanal - aus dem Volk der GETUSEN - versucht habe, einige "besondere Stoffe" auf den Hotelsatelliten zu bringen. Es hatte aber irgendwelche Schwierigkeiten mit seiner Schwebeplatte gegeben und die "besonderen Stoffe" seien von der Hotelsicherung als Bedrohung eingestuft und deshalb vernichtet worden. Sie müssen für Lovanal einen solchen Wert gehabt haben, das er einen Angriff auf den vermeintlichen Zerstörer – also auf mich - durchführte. Meine persönliche Sicherung habe ihn als Feindliche Person eingestuft und sofort getötet. Seine Überreste sind dann von der Hotelsicherung beseitigt worden.

Es ist schon sehr interessant, auf diese Weise zu erfahren, dass die TAARER eine persönliche Sicherung um mich aufgebaut hatten, die anscheinend in der Lage war selbstständig und ohne Rückfrage zu töten. Der Spruch "erst schießen dann fragen" kam mir in Erinnerung. Ich hatte ihn während meines Jahres im Rückbauviertel unterer Michigan See, in einem Buch über die Geschichte Nordamerikas gelesen. Etahan meinte - auf meinen Einwurf hin, das es auch andere Möglichkeiten geben müsse als einen Angreifer gleich zu töten - das es sogar zu viele davon gebe. So viele wie Zivilisationen in GAON existierten und das seien eben zu viele. Das Töten einer angreifenden Lebensform sei sehr viel einfacher und schneller möglich, als 279 Betäubungstechniken durch zu testen. Im Falle von Lovanal hätten Betäubungsmittel für Humanoide sowieso nichts genutzt, weil er kein Humanoide war. Lovanal war ein GETUSE und dieses Volk gehörte zu einer Lebensform, die ihr körperliches Aussehen verändern konnten. Eigentlich besäßen sie das Aussehen aller PLASMA Zivilisationen.

Eine ganz neue Sichtweise tat sich für mich auf, die in den Würfeln nicht beschrieben wurde. Ich als ~DES~ Reisender schien so wichtig zu sein, das eine persönliche Sicherung sofort mit dem Töten begann, wenn ein Angriff auf mich auch nur vermutet wurde. Sie hatten einiges für meine Sicherheit unternommen.

Es blieben einige Fragen offen, die mir Etahan auch nicht beantworten konnte oder wollte. Wer die GETUSEN sind, fand ich später in den Würfeln. Warum sie ihren Körper verändert hatten, um auf dem Hotelsatelliten nicht aufzufallen, ist schon interessanter gewesen. Was für gefährlich eingestufte, "besondere Stoffe" er auf den Satelliten hatte bringen wollen, musste ich auf jeden Fall herausbekommen. Und warum griff Lovanal mich an? Hatte er mich nicht als ~DES~ Reisenden erkannt? Diese Frage konnte mir Etahan beantworten.

Für andere Personen stellte mein UKOM mich als "unbekannten Privaten" dar. Eigentlich hätte ich auch selber darauf kommen müssen. Ich hatte in der jüngsten Vergangenheit mit so fielen unterschiedlichen Lebensformen gesprochen und es ist mir nicht mehr in den Sinn gekommen, das alles nur über den UKOM ablief. Wenn er aber übersetzen konnte, dann konnte er es auch lassen. Man musste es ihm nur sagen. Er ist wohl mehr als nur ein einfacher Übersetzer. Etahan klärte mich dann unbefangen über ihn auf. Das Sicherungsfeld gegen die Insekten auf dem Fest von VELL VANN hatte der UKOM erzeugt. Er ist es auch, der meine Zeitbasis festlegte und für die immer gleiche Schwerkraft gesorgt hatte. Mit ihm konnte ich Formenergiedienste im INSORINE Peiler steuern und über ihn wird auch meine persönliche Sicherung aktiviert. Ohne den UKOM wäre ich blind, taub und wahrscheinlich schon längst tot.

An dieser Stelle seiner Ausführungen, durchlief es mich eiskalt. Was der UKOM für mich ist, dass ist er auch für alle anderen. Sind alle Begrüßungen des letzen Zeit echt oder nur eingerichtete Dienste mit Verhaltensweisen für einen ~DES~ Reisenden gewesen? Ich erinnerte mich immer an "Freundliche" Begrüßungen, auch bei unseren Vorstellungsbesuchen. Dabei meinte ich auch ein undeutliches Gefühl von "lästig" mitbekommen zu haben. Selbst bei den kühlen, zurückhaltenden OROREN kam immer auch "Freundlich" bei mir an. Der UKOM, ein Kommunikativer Schutzmantel, hinter dem man sich verstecken konnte? So ganz wohl nicht, sonst hätte ich nicht die Seltsamkeiten bei der Begrüßung der Zivilisationen untereinander mitbekommen. Und wer hat einen Einfluss darauf, wie ein UKOM übersetzte? Ich hatte ihm nicht gesagt, mich als "unbekannte Privaten" darzustellen und ich bin mir auch ganz sicher, ihn nicht aufgefordert zu haben, mich zu wecken. Und was war bei dem Fest der ARILEN, die mich ja direkt berührt hatten? Warum hatte mein UKOM das nicht auch als gefährlichen Angriff übersetzt? Man kann auch jemanden mit den bloßen Händen töten.

Etahan schien alle meine Überlegungen mitbekommen zu haben. Genau dass sei in der Vergangenheit das größte Problem bei einem ~DES~ Reisenden gewesen, gab er mir zu verstehen. Wie weit dürfe man in seine Persönlichkeitsrechte eingreifen, ohne seinen Auftrag zu gefährden? Die Lösung sei dann eine größere Sensibilisierung gewesen, auf die ein ~DES~ Reisender und sein UKOM eingerichtet sind. Meine Reaktionen auf die jubelten Massen hatten ihn von sich aus dazu veranlasst, mich nach Außen hin zu neutralisieren. Meine Erwartung, mich endlich im System 003-NANROC umsehen zu können, hätte den Termin mit ihm zu einem wichtigen Anlas gemacht, der auf keinen Fall versäumt werden durfte. Lebenserhaltende Funktionen liefen weitgehend automatisch ab und die persönliche Sicherung wird immer nur auf meine eigenen Handlungen hin aktiv. In der Hotelhalle hatte mich der Blitz erschreckt und bei den ARILEN hatte ich mich sichtlich wohl gefühlt. Und es gebe tatsächlich so etwas wie ein spezieller Dienst für ~DES~ Reisende, der von dem Volk der CLOC CALDE - über KOSMIC-LINK eingegeben - alle Lebensformen mit einem UKOM - erreichte und ihrerseits sensibilisierte.

Das war es also!

Das KOSMIC-LINK ist mehr als nur ein Informationsnetz, es lässt auch die Beeinflussung seiner Benutzer zu und das Galaxisweit. Sobald ein Lebewesen mit der GAON KORMA in Verbindung tritt, unterliegt es ihrer direkten Kontrolle. Das schien kein Geheimnis zu sein, sonst hätte mir Etahan dass nicht mal eben auf dem Flug zum Fest von Flahan-S003 mitgeteilt. Ich erinnerte mich an Gus Niegen /KKK /D1 - er besaß keinen UKOM, aber unser Generalsekretär. Bei der Verabschiedung hatte er ihn getragen.

Es gab einiges was ich verarbeiten musste und am liebsten hätte ich mich in meine Wohnung auf dem Hotelsatelliten zurückgezogen. Aber wir befanden uns im Anflug auf die alte Systemverwaltung der TAARER auf der Oberfläche von 003-006-NANROC.

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Das Fest von Flahan-S003 ging mir dann noch zusätzlich unter die Haut. Wir hatten einen dieser über 5000 Meter hohen Würfel angeflogen, der in einem Raster von mehreren 100 Gebäuden dieses Typs nicht besonders heraus ragte und auch keine zentrale Stelle eingenommen hatte. Flahan empfing uns persönlich auf dem riesigen, windigen Dach. Unser Pendler ist das einzige Fahrzeug gewesen, das ich bei unserem Anflug über dem Würfelraster gesehen hatte und auf dem Dach waren wir auch die einzigen. Ich konnte es nicht verhindern, dass ich bei allen TAARERN, die uns begegneten, nach dem UKOM Ausschau hielt - und alle hatten sie einen. So überraschte mich der "freundliche" Empfang jetzt nicht mehr besonders.

In einer großen quadratischen Halle standen Hunderte von TAARERN in ihren silbrigen Anzügen herum. Aber auch die bunten Überhänge von TAARERN in der Passivphase konnte ich erkennen und Flahan begann mit der Vorstellung. Das gesamte Fest bestand eigentlich nur aus dem Ritual einer Taarischen Begrüßung. Der Begrüßte verschränkte dabei die Arme vor der Brust. Flahan erwähnte den Namen und der Begrüßte neigte kurz den Oberkörper, bis sein Kopf in meiner Augenhöhe ankam und ich die Spitze seines Gesichtes nur wenige Zentimeter vor meiner Nase spürte. So ging das mehrere erdeStunden lang und am Ende bin ich vollkommen erschöpft gewesen. Ich wollte keine Gleichgültigkeit aufkommen lassen und hatte jede einzelne Begrüßung konzentriert mit gemacht. Aber das schlimmste kam erst noch. Nachdem Flahan mir wirklich alle anwesenden TAARER so vorgestellt hatte, begannen alle eine Art akustisches Ritual durchzuführen. Sie bildeten dafür einen Kreis um mich, was mich erst mal überraschte - bei ihrer Liebe für die quadratischen Formen. Dann begann sie mit einem dumpfen Brummen, das sich langsam zu einem hellen Pfeifen veränderte. Das ganze dauerte fast eine erdeStunde. Danach leerte sich die Halle und Etahan und ich durften endlich wieder abfliegen.

Wie fremd mir die TAARER nach diesem Fest vorkamen, kann ich heute kaum noch beschreiben. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte ich mich nur für ihre Militärische und Wirtschaftliche Stärke interessiert. Von ihrem Gesellschaftssystem wusste ich eigentlich überhaupt nichts. Das musste geändert werden sobald ich wieder bei Sinnen war.

Erschöpft und irgendwie leer erreichte ich damals meinen Schlafraum auf dem Hotelsatelliten. Etahan hatte mich diesmal bis zur Tür gebracht. Über fünf Schlafpausen meldete er sich nicht mehr, wofür ich ihm auch sehr dankbar gewesen bin. Diese Zeit brauchte ich einfach, um das erlebte zu verarbeiten und wieder einigermaßen Aufnahmebereit für neue Realitäten zu sein. Sogar den Jahreswechsel auf der Erde bekam ich nicht mehr mit. Zum ersten Mal auf dieser Reise kamen mir Zweifel, ob ich überhaupt der Richtige für diese Aufgabe war. In diesen fünf erdeTagen begann ich - eigentlich mehr als Konzentrationsübung - mit den Entwürfen für meinen ~DES~ Bericht, den ich ja am Ende meiner Reise abliefern sollte. Auf diese Weise konnte ich das erlebte ein- und zuordnen und siehe da, ich erholte mich sehr schnell. Natürlich bin ich der Richtige für diese Aufgabe, wie konnte ich nur daran zweifeln. Wenn ich es nicht schaffte - wer dann?

Etwas ging mir damals auf; alles was ich bis zu diesem Zeitpunkt erfahren hatte, kam ohne Planung meinerseits einfach auf mich zu! Und hätte es dieses Missgeschick mit Lovanal nicht gegeben, der Aufbau des KOSMIC-LINK wäre mir immer noch vollkommen fremd gewesen. Ich kam zu dem Schluss, dass ich für meine weitere Reise selber die Ziele aussuchen musste.

Die Besonderheiten im Zusammenlebe der Zivilisationen innerhalb der GAON KORMA konnte ich nicht auf einer einzigen Reise begreifen. Ich hatte auf fünf Festen einen winzigen Einblick in die Lebensweise der gastgebenden Völker bekommen. Dabei erschienen sie mir noch fremder geworden zu sein, als sie es vorher schon waren. Jedes dieser Völker würde ich nur dann richtig kennen lernen, wenn ich sie in ihrer Heimat besuchte. Jetzt aber bin ich bei den TAARERN und sie wollte ich endlich besser kennen lernen.

Dass sie Mitgliedern anderer Zivilisationen ihre Systeme öffneten, hatte ich begriffen. Ihre Stellung innerhalb der GAON KORMA schien mir auch klar zu sein. Ihr soziales und politisches System aber ist immer noch fremd für mich gewesen. Dabei sind sie seit 130 erdeJahren unsere Förderer. Wieso eigentlich nimmt es eine so große und mächtige Zivilisation wie die TAARER auf sich, ein so kleines und unbedeutendes Volk, wie wir MENSCHEN es sind, soweit aufzubauen, das es in die GAON KORMA aufgenommen werden kann und das mit den gleichen Rechten wie sie selbst? Das Verhältnis unserer beiden Völker zueinander ist schon sehr seltsam. Alles was und wer wir sind, verdankten wir den TAARERN. Dabei haben wir nichts als Gegenleistung anzubieten. Rohstoffe in natürlicher Form sind auf der Erde heute Mangelware. Die rückgebauten Rohmaterialien müssen auf dem MARS erst neu verdichtet werden und sind deshalb noch kein Handelsgut. Das Salz, das die INSORINE auf der Erde fördern, ist wohl nur mehr eine Geste als ein Geschäft. Was also sind wir MENSCHEN für die TAARER wirklich? Die Beantwortung dieser Frage erhob ich damals zum wichtigsten Ziel meiner ersten Reise.

Die Strukturen innerhalb der GAON KORMA zu begreifen, sollte mich den Antworten näher bringen die ich suchte. Das KOSMIC-LINK hatte sich als Basisdienst herausgestellt, soviel wusste ich zu diesem Zeitpunkt schon. Seinen genauen Funktionsumfang hatte ich zwar nicht begriffen, aber ich vermutete, das dieses Netz wahrscheinlich von mehreren Zivilisationen betrieben wurde, ähnlich wie der Portaldienst der TAARER, bei dem ja auch mindesten drei Zivilisationen beteiligt waren. Einer dieser Lebensformen - die RAPI - ist auch Bestandteil des KOSMIC-LINK, da sie ja in jedem UKOM vorhanden waren. Wahrscheinlich ist der gesamte Portaldienst Bestandteil dieses Netzes. Die Dimensionen begannen mir damals in Anfängen zu dämmern. Bei einem so dicht geschnürten Netz, in dem alle Lebewesen, die sich auf Raumpeilern von ihren Heimatwelten entfernten, einen UKOM besitzen mussten, um überhaupt zu Überleben, konnte es nicht nur eine Zentrale geben. Auf meine Anfrage in der Würfelbibliothek hin, wie viel besiedelte Welten zur GAON KORMA zählten, erhielt ich die Antwort "über 200.000".

Keine einzelne Organisation konnte eine solche Menge von Planeten kontrollieren. Wenn man noch die Satelliten dazurechnete, die sicher in die Hunderte Millionen gingen, von den Milliarden Raumpeilern ganz zu schweigen, erschien es mir vollkommen unwahrscheinlich, das es überhaupt eine Instanz geben könnte, die im Stand gewesen wäre, dieses Netz zu kontrollieren. Zumal ich ja auch festgestellt hatte, das es Freiräume für einzelne Individuen gab. Warum sollten wohl die TAARER unliebsame Personen nicht in ihre Systeme lassen? Doch nur aus dem einen Grund, weil sie sich nicht so verhalten hatte wie sie es erwarteten. Und was war mit Lovanal? Alles deutete darauf hin, dass er ein bekannter Schmuggler gewesen ist. Was er geschmuggelt haben konnte, würde ich auch noch heraus bekommen, sobald ich mehr über die Bedürfnisse dieser Satellitenzivilisation wusste. Auf jeden fall hatte das riesige Kontroll- und Kommunikationsnetz KOSMIK-LINK seine Lücken.

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Das /KIS Pärchen meldete sich pünktlich am 1. Januar 1/2153 und wüsche mir ein erfolgreiches Jahr. Ich beschloss damals, doch mit ihnen zusammenzuarbeiten, wenn sie wenigsten einen gewissen Umgangston wahren würden. Ich hatte gemerkt, dass ich bei aller Unabhängigkeit auf meine Wurzeln nicht verzichten konnte. Für manche Themen braucht man eben einen menschlichen Gesprächspartner.

Etahan meldete sich am 03. Januar 1/2153 sehr förmlich über meinen UKOM an. Er hatte sich in der Vergangenheit immer so mit mir in Verbindung gesetzt, dass ich mir nichts dabei dachte, als er von neuen Zielen sprach. Seinen alten Besuchsplan hatten wir zwar noch lange nicht abgearbeitet. Unter anderem fehlte noch das Entwicklungsmuseum für befreundete Zivilisationen. Ich hatte mich aber schon daran gewöhnt, dass er die Besichtigungsziele aussuchte. Seine Förmlichkeit hätte mich allerdings stutzig machen müssen.

In den vergangenen fünf erdeTagen hatte ich einige Anfragen über meinen UKOM gestartet. Sie betrafen hauptsächlich das Thema Taarische Kultur und Aufbau ihres Gesellschaftssystems. Das hatte ich endlich begriffen, ich musste mit meinen Fragen immer bei den Haupteinrichtungen beginnen, also bei der GAON KORMA oder deren Vertreter selbst und der Regierung einer Zivilisation, oder besser bei der Organisation, die ich als solche verstand. Und ich hatte Erfolg gehabt, mehr als wenn ich nur in den Bibliothekswürfeln gesucht hätte. Keine meiner Anfragen ist abgelehnt worden, alle hatten sie - nach einer gewissen Zeit - ausführlich geantwortet.

Meine Themenauswahl ging sehr tief an die Wurzeln der Taarischen Zivilisation heran. Meine Würfel versorgten mich mit geschichtlichen Fakten. Fragen, die auf die Gesellschaftsform der Taarischen Zivilisation abzielten, musste ich direkt an die betreffenden Institutionen stellen. Ihr Staatsarchiv und ihre Hauptvertretung auf 001-DESTAAR hatte ich somit direkt angesprochen. Von einer Taarischen Regierung wollte ich nach meinen Anfragen nicht mehr sprechen. Sie gab es nämlich gar nicht oder besser, sie existierte nicht so, wie ich es mir vorgestellt hatte. Der Erste TAAR, der offiziell als eine Art gewählter Monarch die gesamte Zivilisation repräsentierte, ist alles andere als der politische Kopf dieses Volkes. Die TAARER besaßen als Basis ihres Gesellschaftssystems eine so genannte Gendiktatur. So umschrieb es jedenfalls ein Bericht der GAON KORMA.

Die Verwaltungsstrukturen innerhalb der Taarischen Zivilisation hatten nichts mehr mit dem zutun, was ich von den MENSCHEN her kannte. Bei uns ist der :Sicherheitsrat: die Vertretung aller MENSCHEN. Er wird innerhalb von 10 erdeJahren fließend neu besetzt und jeder kann - bei entsprechender Qualifikation - Mitglied werden. Die Position des Generalsekretärs wechselte sogar alle sechs erdeMonate und hatte eigentlich nur eine repräsentative Funktion. Die eigentliche Regierungsarbeit wird von unserem :Verwaltungsrat: ausgeführt. Er besteht aus Fachleuten, die vom :Sicherheitsrat: immer wieder neu bestimmt werden. Regelmäßig hatte ich die Ausschreibungen in den /KIK- Nachrichten verfolgt. Nur hatte ich keine der gesuchten Qualifikationen vorweisen können, bis auf die Ausschreibung der /KKK, in der Reisende gesucht wurden. Die TAARER dagegen besaßen eine biologische Grundprogrammierung, nach der sie alle - ausnahmslos - handelten. Eigentlich sind alle TAARER Bestandteil ihrer Regierung. Sprichst du mit einem, sprichst du mit allen. Ich habe in all den Jahren meiner Reisetätigkeit keine einzige Handlung eines einzelnen TAARERS mitbekommen, die wissentlich gegen die Interessen seines eigenen Volkes gerichtet gewesen ist. Alle sind sie Teil dieser Gendiktatur. Deshalb können sie es sich leisten, als Regierung nur eine Symbolfigur, ein Passives Mitglied ihres Volkes zu bestimmen. Diese Symbolfigur ist auch eigentlich nicht für die TAARER selbst bestimmt, sondern eher für alle anderen Zivilisationen.

Die Bezeichnung Neu-Humanoide verstand ich erst jetzt so richtig. Die RAHNN hatten vor 180 Dekaden nicht nur die Körperform eines Humanoiden Wesens nachgebildet, sondern auch eine ihrer Führungsstrukturen. Allerdings, in beiden Fällen, ohne deren grundsätzliche Funktion. Der Erste TAAR besaß also keine wirkliche politische Macht. Die lag bei der Gesamtmasse der PLASMA Substanz, aus der ein TAARER "gemacht" ist und die nur auf den 199 Reprowelten existierte!

So ist es auch klar, warum die TAARER die größte und mächtigste Zivilisation in GAON werden konnten. Jeder einzelne TAARER arbeitete bewusst daran mit. Eigentlich könnte man ihre Zivilisation auch als ILO - Integrierter Lebensorganismus - bezeichnen, wie es sie ja auch tatsächlich in den GAON KORMA Richtlinien gab, nur existierte da ein entscheidender Unterschied zu diesem Entwicklungsstamm, die TAARER sind nicht wirklich unsterblich!

Ihr Gesellschaftssystem gestaltete sich überraschend vielfältig. Bei einer so umfassenden Gendiktatur hätte ich nicht erwartet, dass es so unterschiedliche Formen des Zusammenlebens bei ihnen gab. Von einem Einzelgänger bis zu Clanartigen Gruppierungen ist bei ihnen alles vorhanden. Jede dieser überraschend individualistischen Lebensweisen wird durch entsprechende Einrichtungen offiziell unterstützt. Es gab Wohnungen in den unterschiedlichsten Größen und Ausstattungen, angefangen von einfachsten Einpersonen Häuser bis zu luxuriösen Massenunterkünften.

Was es bei den TAARERN aber nie gegeben hatte, das ist die Existenz von Randgruppen. Selbst wir MENSCHEN haben ihre Entstehung in unserer eigenen, jungen Zivilisation nicht vollkommen verhindern können. Alle Generationen, sogar die aller erste, lebten nebeneinander. Das die Denkweise eines MENSCHEN auch etwas mit seinem biologischen Alter zutun hatte, ist wohl eine Tatsache. Ich hatte in meinem Rückbaujahr einige dieser alten Personen kennen gelernt. Sie selbst schätzten ihre Lage allerdings vollkommen anders ein, als ich es damals tat. Die vier alten Privaten, die ich in den Berner Alpen im Großraum ehemals Paris entdeckte, nannten es Leben im Einklang mit der Natur und der alte, heruntergekommene und kranke Mann am Schwarzen Meer, sprach von der Freiheit des Geistes, der man auch seine Gesundheit opfern müsse. Was er genau damit meinte, habe ich damals nicht verstanden.

Die TAARER kannten solche individuellen Ausprägungen nicht. Jeder einzelne von ihnen lebte, ob allein oder in großen Gruppen, aktiv oder passiv, ein Leben im Bewusstsein für seine Zivilisation einen wichtigen Beitrag zu leisten.

Bei der Durchsicht der verschiedenen Antworten ist mir eine seltsame Mischung von Individualität und Vereinheitlichung bei den TAARERN aufgefallen. Ihre Denk- und Handlungsweisen im Bezug auf ihre eigene Zivilisation konnten einheitlicher nicht sein. Den Lebensstiel des einzelnen TAARERS dagegen, musste man schon als sehr individualistisch bezeichnen. Bestimmte Elemente des Zusammenlebens fehlten bei ihnen aber vollkommen. Sexualität kannten die TAARER überhaupt nicht. Sie besaßen nicht einmal ein Word dafür. Bei uns MENSCHEN spielt sie zwar auch nicht mehr die Rolle, wie sie es bei der Alten Menschheit noch tat, aber die Zivilisation der IROITEN zeigte deutlich, das sie eine Grundidee des Humanoiden Stammes ist. Sie gilt als Basis unserer Existenz, auch wenn wir MENSCHEN heute nur noch in Tangs gezeugt werden. Und vollkommen ist dieser Trieb aus unseren Genen ja auch nicht verschwunden. Selbst ich spürte manchmal eine Unruhe, die ich mir rational nicht erklären konnte. Dann war ich zu Handlungen fähig, die mir bei klarem Verstand nie in den Sinn gekommen wären. Wenn ich da nur an meine Ausbildungszeit auf der Insel Irland denke, eine ganze Küche musste damals darunter leiden.

Diese unkontrollierten Phasen einer inneren Anspannung kannten die TARRER absolut nicht. Ich fand wenigstens keinen Hinweis in den Antworten, die auf ein Taarisches Aggressionspotenzial hinwiesen. Mir erklärte das die Stellung, die sie innerhalb der GAON KORMA einnahmen. Da sie anscheinend keine, sich heimlich anstauende Aggression kannten, sind sie auch keine Gefahr für alle anderen Völker. Nur wenn man versuchte ihre Zivilisation als ganzes anzugreifen, konnten sie äußerst aggressiv reagieren. Die ARILEN hatten dies beim Reprokrieg vor 90 Dekaden schmerzlichst erfahren müssen. Dieser Krieg schien übrigens die letzte große gewalttätige Auseinandersetzung in der Geschichte GAONS gewesen zu sein. Die TAARER hatten es wohl allen anderen Zivilisationen gezeigt, zu was sie fähig waren.

Das ein Taarisches Leben in eine aktive und eine passive Phase eingeteilt wird, wusste ich ja schon von den beiden Mitreisenden Vahan und Haharo. Dass diese Passiven TAARER für die gesamte künstlerische Kreativität dieser Zivilisation verantwortlich zeichneten, bekam ich von ihrem Zivilisationsarchiv bestätigt. Schienen sie in ihrer Aktivphase die gesamte Kraft in den Aufbau ihrer Zivilisation zu investieren, arbeiteten sie in ihrer Passivphase hauptsächlich auf sich selbst bezogen. Das diese grundsätzlich unterschiedlichen Lebensweisen durchaus innere Konflikte bilden konnten, hatten die TAARER wohl begriffe. Deshalb trennten sie Personen der beiden Lebenszustände von einander. Die passiven TAARER lebten und arbeiteten auf den so genannten Passivwelten ihrer Zivilisation. Auch hier muss man für ein besseres Verständnis, die Begriffe umkehren. So aktiv, vielfältig und lebhaft wie diese Passivwelten heute sind, gaben sich die Taarischen Aktivwelten lange nicht. Selbst ihre offenen Handelssysteme, mit ihrer Vielzahl von Mitgliedern anderer Zivilisationen, konnten nicht annähernd eine solche kulturelle Vielfalt vorweisen. Ich habe später selbst einige Zeit auf einer dieser Passivwelten gelebt. Er sind einige meiner schönsten lebensJahre gewesen.

Bleibt noch das Ende eines Taarischen Einzelwesens, denn auch vom Tod in unserem Sinn kann bei ihnen nicht die Rede sein. Bei uns ist der gesamte Körper der Behälter von Lebensenergie. Mit seinem Wachstum und der Aufnahme von Erfahrungen ist er auch für die Ausbildung unserer Individualität maßgeblich verantwortlich. Stirbt unser Körper durch das Versagen einzelner Organe ab, verflüchtigt sich unsere gesamte Lebensenergie auf einen Schlag und wir existieren nicht mehr als Person.

Die überarbeitete PLASMA Substanz, aus der ein TAARER besteht, besitzt dagegen keine spezialisierten Moleküle. Alle sind für alles zuständig. Solange auch nur ein Molekül eines einzelnen TAARERS existiert, ist er als Lebewesen nicht tot. Seine Individualität aber verliert er schon beim Abfall eines Armes! Sie ist nämlich abhängig von der Gesamtmasse, der beim "Erwecken" zusammengefassten Moleküle. In einer der Antworten auf meine ganz konkreten Anfrage an ihr Zivilisationsarchiv stand, das sich die - beim Erwecken eines Taarischen Einzelwesens - eingesetzte Polungsenergie im laufe der Zeit verbrauchte. Unterhalb einer bestimmten Menge dieser Polungsenergie konnte das Individualitätspotenzial nicht mehr gehalten werden. Das sei dann das Ende eines TAARERS als Individuum.

Seinen Körper oder besser die Reste davon, brachte man wieder zur Ursprungs- Reprowelt zurück. Mit anderen Molekülen und einer neuen Polung "produzierte" man dann ein neues Taarisches Einzelwesen. So konnte es durchaus sein, das Etahan Moleküle von Hunderten ehemals eigenständiger TAARER in sich trug. Dieses Bewusstsein, biologisch fast unsterblich zu sein, durchdrang ihre gesamte Zivilisation. Die Frage nach dem Sinn des Lebens, die wir Einzelkörpergebundenen Humanoiden uns immer stellen, ergab sich bei ihnen einfach nicht. Sie sind immer, irgendwie. Ihre Individuelle Existenz sehen die TAARER nur als einen Abschnitt ihrer Entwicklung an. Wahrscheinlich ist das auch einer der Gründe für ihren Erfolg als Gesamtzivilisation. Das die Lebensenergie eines TAARERS und die eines MENSCHEN den gleichen Ursprung hat, wurde mir erst auf einer meiner späteren Reise klar.

Mit diesem Wissen über seine Zivilisation trat ich dann Etahan gegenüber und ich hatte zum ersten Mal den Eindruck, als sei er verlegen – oder so ein ähnliches Gefühl. Mir zeigte sein Verhalten, das ich überwacht wurde. Aber dass ist mir schon auf dem Flug zum Fest von Flahan klar geworden. Wenn sie dass taten, sollten sie auch etwas davon haben. Wahrscheinlich bin ich deshalb so mutig geworden und hatte solche direkte Fragen gestellt.

Etahan überraschte mich mit einem vollkommen neuen Reise- und Besichtigungsplan. Es fiel mir auf, dass er beabsichtigte das System 003-NANROC zu verlassen. Einen Zusammenhang der einzelnen Ziele konnte ich auch nicht mehr erkennen. Er hatte die großen und wichtigsten Standorte seiner Zivilisation ausgesucht und er wollte als Erstes natürlich in sein Hauptsystem 001-TAAR. Weitere 16 Ziele, die wichtige Funktionen ausübten und seiner Meinung nach einen Einblick in die Taarische Zivilisation erlaubten, sollten sich anschließen.

Mir ging das jetzt alles etwas zu schnell. Natürlich wollte ich auch in ihr Hauptsystem, nur hatte ich 003-NANROC noch nicht ganz verkraftet. Und dieses System ist nur ein Taarischer Außenposten gewesen. Wie musste es dann erst in ihrem Hauptsystem aussehen? Und dann noch der galaktische Handelsmittelpunkt - 408-ORONDA - den Etahan auf seinem Reiseplan hatte. Es überstieg noch einmal die Dimensionen von 001-TAAR um ein vielfaches. Von der wirtschaftlichen Seite aus gesehen, besaß das Hauptsystem der TAARER nämlich nur einen mittleren Stellenwert. Ich füllte mich zu diesem Zeitpunkt einfach noch nicht in der Lage, einen noch größeren Beweis der Taarischen Überlegenheit kennen zu lernen. Wenn ich mich jetzt nicht mit einer eigenen Reiseplanung durchsetzte, musste ich die nächsten sechs erdeMonate auf einem Raumpeiler von einer Sehenswürdigkeit zur nächsten reisen und die Eindrücke würden mich überfluten.

Zur Befriedung meiner Neugier wäre eine solche Reise sicher genau das Richtige gewesen. Ob ich aber neue Hinweise auf meine Fragen nach dem Grund für die Taarische Sorge uns MENSCHEN gegenüber gefunden hätte, erschien mir fraglich. Meine Ungeduld ließ eine so langwierige Erkenntnisreise im Moment einfach noch nicht zu. Mir fehlten einige grundsätzliche Antworten, ohne die ich 003-NANROC nicht verlassen wollte.

Ich bin damals bereit gewesen, mich bei Etahan unbeliebt zu machen. Seine kühle Art hatte verhindert, dass ich ihn als befreundete Person ansah. Er ist der Reisebegleiter, der die Aufgabe hatte, mich als ~DES~ Reisenden zu unterstützen. Natürlich ist er mehr gewesen als das. Obwohl ich nie erfahren habe, ob sie ihn speziell für mich "erweckt" hatten, deutete doch vieles darauf hin, dass er auf seine Aufgaben hin ausgerichtet worden ist. Ich hatte mich in eine Stimmung hinein gesteigert, die es mir ermöglichen sollte, Etahan selbstbewusst entgegen zu treten. Er würde bestimmt wieder versuchen seine Pläne durchzusetzen.

Sein Verhalten brachte mich dann aber vollkommen aus dem Konzept. Natürlich sehe er ein, dass ich einige grundsätzliche Fragen klären müsse. Meine schöne aggressive Stimmung verpuffte auf einen Schlag. Er bot mir sogar seine Unterstützung an, um die besondere Beziehung, die seine Zivilisation zu uns MENSCHEN hatte zu ergründen, dafür sei er schließlich da. Grundsätzlich habe jede Lebensform seinen Platz innerhalb der GAON KORMA - und eine Aufgabe! Das sei ein Grundgedanke aller GAON Zivilisationen. Selbst kleinste Völker können für die Gemeinschaft einen wichtigen Beitrag leisten. Zum ersten Mal hörte ich aus seinem Mund oder besser übersetzte mein UKOM unseren Namen für die Kosmische Zeiterfassungsorganisation. Etahan hatte bis dahin immer nur von seinem Volk oder von der ORGANISATION gesprochen, wenn es um Funktionen der GAON KORMA ging. Sein Hinweis auf eine Aufgabe ließ mich auch aufhorchen. Hatte nicht auch unser Generalsekretär von einer Aufgabe gesprochen? Ich hörte hier zum ersten Mal etwas von einer Aufgabe, die wir MENSCHEN als ganzes für die GAON KORMA erfüllen sollten. In wieweit meine Funktion als ~DES~ Reisender mit dieser Aufgabe der MENSCHEN gleich kam, konnte ich damals noch nicht übersehen.

Es ist dann noch ein aufschlussreiches Gespräch geworden. Etahan klärte mich beiläufig über einige Besonderheiten im Zusammenleben der Völker untereinander auf. Auslöser ist dabei meine Frage nach den GETUSEN gewesen. Sie hatten tatsächlich die offizielle Aufgabe zu schmuggeln. Etahan umschrieb es allerdings freundlicher mit Durchführung von "Illegale Transaktionen".

Es gab Lebensformen in der GAON KORMA, erklärte er mir, die nicht damit zufrieden sind, ihre ganze Kraft für die Weiterentwicklung einer einzelnen Galaxis einzusetzen. Sie wollen das gesamte Universum ihren privaten Vorstellungen unterordnen. Für diesen Personenkreis reichte dann meist eine stellvertretende Instanz aus, der man verdeckt diese Zielvorgaben mitgab. So entwickeln verschiedene Fachzivilisationen bestimmte Organisationsformen, die - von der GAON KORMA kontrolliert - diese Ziele offiziell anstrebten. Es entstanden so die unterschiedlichsten Gebilde. Angefangen von religiösen Sekten, wie die -CONRA- , die -CAMASIN- oder die -DOLNE- , die alle einen Heilsbringer erwarten, über die Ökobiologisch ausgerichtete -VE-, die einen Verschmelzungsvorgang propagiert, bis zu politischen Vereinigungen in unendlicher Zahl, die einer vermeintlich oder tatsächlich benachteiligten Gruppe die Möglichkeiten versprach, andere Gruppen in ihren Zustand zu bringen. Was dann wieder eine neue Vereinigung nötig machte, die das gleiche für diese Gruppe erreichen sollte und so weiter.

Eine dieser Organisationsformen, die hauptsächlich von Humanoiden genutzt wird, hatte es sich zur Aufgabe gemach, die persönliche Freiheit eines Einzelwesens zu mehren. Gemeint ist damit die kurzzeitige Befreiung vom Einfluss des UKOM. Ganz auf ihn verzichten wollte und konnte natürlich niemand. Aber man erhoffte sich mehr persönliche Freiheiten, wenn man sich kurzzeitig seinem Einfluss entzog, ohne ihn vom Handgelenk nehmen zu müssen. Um das zu erreichen, brauchte man "besondere Stoffe", um den Geist kurzfristig zu verwirren und die hatte Lovanal versucht auf den Hotelsatelliten zu bringen. Das diese "besonderen Stoffe" äußerst gefährlich und für so machen Verbraucher auch schon tödlich gewesen sind, spielte für die -MARD-, so der Name der Befreiungsgruppe keine Rolle. Das man "besondere Stoffe" natürlich nicht in den Materialspendern anbieten konnte, sollte klar sein. Andererseits existiert ein Bedarf, den man befriedigen musste. Und dafür brauchte man eben Spezialisten für "Illegale Transaktionen", also die GETUSEN. Der Aufwand der Beschaffung der Grundstoffe und der Herstellung, die Heimlichkeit, mit dem der gesamte Vorgang abgewickelt werden musste, all das verteuerte natürlich diese "besonderen Stoffe" gewaltig. Sie besaßen somit eine Bewertung, die nur sehr wenige Humanoide besaßen. Und sollte tatsächlich ein Verbraucher umkommen, war das manchmal sogar gewollt. Es genügt schon allein das Wissen um die Existenz dieser "besonderen Stoffe", um ein Bedürfnis zu befriedigen.

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Ich hatte mit Etahan vereinbart, das wir als erstes das Museum für befreundete Zivilisationen besuchen sollten, womit er natürlich sofort einverstanden gewesen ist. Ich hätte mir einige Umwege ersparen könne, wenn wir als erstes Besuchsziel diesen Satelliten ausgesucht hätten. Am 5. Januar 1/2153 betrat ich dieses Museum. Ähnlich wie der Externe Zugriffssatellit umkreiste er REPRO-003. In allem anderen aber unterschied er sich vollkommen von ihm. Als wir uns dem Satelliten näherten, fiel mir der dichte Verkehr um ihn herum auf.

Sein Aussehen hatte nichts mehr mit der Taarischen Vorliebe für die quadratischen Formen zu tun. Er stellte sich wie die wirren Konstruktionen der IROITEN und ARILEN dar, nur um einiges größer. Die gesamte Anlage beherbergte nicht nur das Museum, sonder auch einige Hotels, mehrere Vergnügungs- und Geschäftsausleger und einen Satelliten als Anlegestelle für private Raumpeiler. Ein riesiges Touristenzentrum, das auch ein Museum beherbergte, deshalb der dichte Verkehr. Und ich hatte schon geglaubt, Geschichtsmuseen seihen in der GAON KORMA besonders beliebt. Nach der Stille und Abgeschiedenheit auf dem Externen Zugriffssatelliten, bekam ich hier doch einen freundlicheren und belebteren Eindruck, obwohl Etahan und ich an diesem Tag die einzigen Besucher des Museums gewesen sind. Der Eingangsbereich schien für größere und fremdartige Lebensformen vorbereitet zu sein. Ein Zylindrischer Raum, vielleicht 500 Meter lang und fast 100 Meter hoch, den wir beide alleine durchschritten. Danach schloss sich eine Verteilerhalle an, die nicht viel kleiner zu seien schien. Verschiede Themenschwerpunkte konnte ich hier aussuchen. Etahan wählte den Eingang "Erste TAARER Kontakte" und wir beide tauchten in einen seltsam gestalteten Bereich des Museums ein.

Ich hatte nicht damit gerechnet, wirklich ein Museum vorzufinden, in dem es Gegenstände gab, die in Vitrinen aufgestellt, riesige Hallen füllten. Zum Glück hatten sie hier Distanzraffer eingerichtet. Es währe nicht zumutbar gewesen, die Hunderte von Kilometern ohne technische Hilfsmittel abzuwandern. Auf unserer Museumsinsel Menhetten hatte ich ähnliche Einrichtungen schon gesehen. Wenigsten was den grundsätzlichen Aufbau anging. Die Vitrinen im Entwicklungsmuseum der TAARER sind bis zu 40 Meter hohen Würfeln gewesen, mit durchsichtigen Wänden und eigenen Atmosphären. Innen hatten sie ganze Landschaften und Gebäudegruppen aufgebaut. Richtige kleine Geschichten konnte man sich erzählen lassen. Etahan schien zu wissen wo hin er wollte. Mit wenigen Schritten durchwanderten wir zwei der langen Hallen, ohne das er eine der vielen Szenen beachtete, bis er plötzlich vor einem dieser Würfel stehen blieb. In ihm fand ich dann unser Sonnensystem in verkleinerter Darstellung vor, den originalen Proportionen entsprechend nachgebaut. Mein UKOM übersetzte die Aufschrift an einer kleinen Konsole, die aus dem Würfel ragte, mit "MENSCHEN Kontakte". Ich bin an der richtigen Stelle angekommen, dachte ich damals.

Was sich mir als geschichtlicher Überblick darbot, verstand ich erst gar nicht. Die Erde tauchte als Modell mehrere Mal aus dem dunklen Hintergrund des Würfels auf und jedes Mal sah sie anders aus. Bis ich endlich begriff, das ein Zeitablauf nachgebildet werden sollte!

Wie lange kannten die TAARER die Erde schon? Was gab es sonst noch vor uns? Ich lies das Programm noch einmal ablaufen und mein UKOM unterstützte mich, indem er eine Zeittabelle mitlaufen ließ, die mit -45/500 begann. Er zeigte nicht erdeJahre als Zeiteinheit an, sonder GKZe in Dekadenschritten, was für mich auch logischer erschien. Grob geschätzt begann der Überblick also vor 140.000 erdeJahren. Meine Zweifel, ob es eine vermutete Entwicklung oder eine wirklich beobachtete war zerstoben, als das Modell eines Taarischen Raumpeilers entstand, der sich dem ersten Erdemodell näherte, es umrundete und wieder verschwand. Die TAARER haben die Erde also tatsächlich schon vor über 96 Dekaden gekannt und ihre Raumpeiler hatten diese plumpe Form bis heute behalten.

So verwundert über diese Erkenntnisse bin ich damals eigentlich gar nicht gewesen. Ich wusste ja schon das die TAARER wahrscheinlich vor 180 Dekaden, also um -129/500 entstanden waren. 003-NANROC ist ihr drittes Sonnensystem, also musste es schon sehr früh von ihnen besiedelt worden sein. Die SONNE liegt nur 216 lichtJahre von ihm entfernt und ist in 68 erdeStunden erreichbar, liegt also in ihrem direkten Einzugsgebiet. Verwunderung überkam mich darüber, das ich selbst bis jetzt die ERDE immer am Ende der bewohnten Milchstraße gesehen hatte, dabei lag sie mitten drin. Es folgte das zweite und dritte Modell der ERDE und jedes Mal umrundete ein Raumpeiler die Modellkugel und verschwand wieder. Beim vierten Durchlauf ging vom Raumpeilermodell ein rotes Feld aus, das die ERDE einhüllte. Das wiederholte sich weitere acht Mal. Etahan erklärte mir dass mit gescheiterten Kontaktversuchen. Erst beim dreizehnten Durchlauf konnte ich auf der Modellerde bekannte Küstenlinien erkennen. Die mitlaufende Zeittabelle stand jetzt bei +16/500, also 16 Dekaden oder 24.000 erdeJahre nach der Gründung der GAON KORMA. Jetzt ging von der Erde ein rotes Feld aus, das versuchte den Raumpeiler zu erreichen. Das muss vor etwa 53.000 erdeJahren gewesen sein. Das Raumpeilermodell antwortete mit einem gelben Feld und verschwand wieder. Etahan sprach vom ersten missglückten Kontaktversuch, der für die damalige Lebensform auf der Erde tödlich geendet habe.

Beim vierzehnten Durchgang erschien wieder das rote Feld aus dem Raumpeilermodell und erst der fünfzehnte Durchgang betraf unsere jüngere Vergangenheit. Die Zeittabelle stand jetzt bei 51/030, also nur noch 150 erdeJahre von meiner Realität entfernt. Wieder ging vom Taarischen Raumpeiler ein rotes Feld aus, das die Modellkugel der Erde einhüllte. Diesmal veränderte sich aber die Farbe der Kugel von einem schmutzigen graubraun zu einem satten grün. Es entstand das Symbol der GAON KORMA - die in acht Kuchenstücke zerteilte und unterschiedlich eingefärbte Darstellung der Galaxis GAON. Die Beitrittsfanfare erklang und unser Symbol - die vereinfachte Darstellung unseres Systems mit ihren neun Planeten - überstrahlte, immer größer werdend den gesamten Würfel.

Überwältigt, verblüfft - seltsamerweise nicht überrascht - trotzdem irgendwie taub, stand ich vor einem würfelförmigen Gebilde, in einer riesigen Halle, auf einer wirren Satellitenkonstruktion, in einem System der TAARER, 216 lichtJahre von dem Punkt entfernt, dessen Geschichte ich gerade - wenn auch nur modellhaft - miterlebt hatte.

Etahan führte mich noch durch einige andere Abteilungen des Museums. Ich sah weitere Würfel mit Darstellungen von wahrscheinlich alten irdischen Landschaften, fremdartigen Lebenssituationen in primitiver Umgebung und Personen, die ich nicht mehr wirklich wahr nahm, geschweige den zuordnen konnte. Begriffen hatte ich wenig. Das es vor 53.000 erdeJahren eine Zivilisation gegeben haben soll, die im Stand gewesen ist, den Raumpeiler der TAARER anzugreifen und vielleicht noch den Farbwechsel der Modellerde, was wohl den Austausch der Alten Menschheit gegen uns MENSCHEN bedeuten sollte. Ich wartete damals immer noch auf eine multimediale Erklärung zu den dargestellten Ereignissen, die aber nie kam. Nur die Szene aus dem Jahre 2030, in der einige Mitglieder der Alten Menschheit und TAARER gemeinsam auftraten und die Gesichtszüge des damaligen Generalsekretärs Ngujen, sind das einzige was mir noch in Erinnerung geblieben ist.

Die Realität holte mich erst wieder ein, nachdem Etahan mich wieder auf "Ruhe für Geist und Körper" abgeliefert hatte. Das /KIS Pärchen fing mich schon in der Empfangshalle ab. Ich bekam noch mit, wie sich wieder eine dunkle, durchsichtige Fläche aufbaute und einige Humanoide Wesen um mich herum zu Klumpen verformten, schrumpften und verschwanden. Frau Fananga und Herr Ganos griffen unter meine Arme und schleiften mich förmlich zu meiner Wohnung. Ich hatte das unbestimmte Gefühl etwas verpasst zu haben.

Ich erwachte am 6. Januar 1/2153 wieder erschreckt, auf meiner Matte, in meiner Wohnung auf dem Hotelsatelliten "Ruhe für Geist und Körper". Alpträumen hatte ich in der Vergangenheit eigentlich nicht gekannte, nur hier wurden sie mir langsam zur Gewohnheit. Wieder konnte ich mich nicht an ihn erinnern. Irgendein wirres Zeug von dunklen Flächen und aufbrechenden Kugeln. "Dunkle Flächen" ist dann das Stichwort gewesen, das mich an den vergangenen Abend erinnerte. Ich musste wissen, ob meine UKOM Sicherung wieder eingegriffen hatte. Etahans Hinweis viel mir wieder ein, das ich es selber bin, der sie unbewusst aktivierte. Sollte ich gestern wieder einige GETUSEN umgebracht haben? Dabei konnte ich mich nicht daran erinnern, einen Anlas für einen Angriff gegeben zu haben. Ich bin auch nicht erschreckt gewesen, das ja laut Etahan ausreichte um die Sicherung zu aktivieren. Und die Sache mit Lovanal ist schon 10 erdeTage her. Nur, wen konnte ich fragen? Vor Frau Fananga und Herr Ganos wollte ich mich nicht so unwissend zeigen. Etahan meldete sich immer nur dann, wenn ein Termin anstand und er ist nie über den UKOM erreichbar gewesen. Die Hotelleitung würde wahrscheinlich von nichts eine Ahnung haben und alles abstreiten. Es bliebe vielleicht ein Sicherheitsdienst wie die ODERNE zum Beispiel. Ich hatte von ihr in den Würfeln gehört, wo sie als Polizeidienst beschrieben wurde. Auch wenn sie sich nur für große galaktische Probleme zu interessieren schien, sollte sie mir wenigsten sagen können, über wen ich Informationen über die Ereignisse des vergangenen Abends bekommen könnte. Schließlich sind wahrscheinlich einige Personen getötet worden und das muss doch aufgefallen sein. So kam es, dass ich an diesem Morgen meinen ersten direkten Kontakt zur ODERNE aufnahm. Ich rief sie einfach mit meinem UKOM an!

Und dass schien vollkommen normal zu sein. Es entstand über meinem UKOM eine kleine würfelförmige Darstellung des ODERNE Symbols - der Grünen Kugel der IT´ONS. Eine weiche, weibliche Stimme begrüßte mich namentlich und fragte nach meinen Wünschen. Ich bekam danach ganz selbstverständlich die Informationen die ich wollte. Ich glaube, dass ich damals mehr über diese Abwicklung meiner Anfrage verblüfft gewesen bin, als über die Informationen die sie mir lieferte.

Aber natürlich, ich bin ja der ~DES~ Reisende!

Wieder begriff ich meinen Status neu. Die direkten Anfragen beim Taarischen Zivilisationsarchiv, bei ihrer politischen Vertretung und der GAON KORMA selbst, sind ja auch alle beantwortet worden. Und die ODERNE ist nur ein Dienst der Organisation. Irgendwie konnte ich mich immer noch nicht an den Gedanken gewöhnen, als ~DES~ Reisender alle Informationen zu bekommen, die ich haben wollte, wenn ich nur die richtige Stelle ansprach und die richtigen Fragen stellte. Ich bin es einfach nicht gewöhnt gewesen, so bevorzugt behandelt zu werden. Auf der Erde hatte ich nie das Gefühl gehabt, einen besonderen Status zu besitzen. Zwar hatte ich immer bekommen was ich mir ausgesucht hatte. Meine kleinen Verfehlungen sind immer wie Ausrutscher behandelt worden. Emo Gallo /KEB /D1 hatte immer nur Vorschläge gemacht, wenn es um meine Ausbildung ging. Ausgesucht hatte ich immer selbst. In meiner Rückbauzeit hatte ich alle die Aufgaben übertragen bekommen, die auch jeder andere MENSCH ausführen musste. In den Rückbaugruppen hatte ich nie die Position des Leiters inne gehabt. Ich besaß nicht die Ausbildung einer Führungskraft, wie sie Will Bonner /KAF /D1 hatte. Der hätte den Status eines ~DES~ Reisenden schneller begriffen und bis an seine Grenzen ausgereizt. Ich dagegen wurde bei jeder Gelegenheit - neu - zum ~DES~ Reisenden.

Die Informationen der ODERNE ließen dann auch nichts Gutes ahnen. Lovanal, oder besser die Gruppe um Lovanal, arbeitete auf Erfolgsbasis. Sie bekamen von der -MARD- erst ihre ausgemachten Bewertungen, wenn sie die "besonderen Stoffe" auch wirklich ablieferten. Mein UKOM hatte mich nach außen hin als "unbekannten Privaten" dargestellt, so das ich bei den Schmugglern für die Neubeschaffung der Ware verantwortlich und in der Lage schien. Sie hatten am gestrigen Abend versucht, mir dass mitzuteilen. Die fünf GETUSEN in Humanoider Erscheinung sind dann aber von meiner Sicherung daran gehindert worden. Irgendwie hatte ich ein seltsames Gefühl in der Magengegend. Es wurde mir klar, dass ich jetzt schon für 6 Tote GETUSEN verantwortlich war. Und solange sie keine neuen "Stoffe" bekamen, würden sie mich nicht in ruhe lassen. Es würden weitere Verluste entstehen, was sie zu stören schien.

Ich musste eine Entscheidung treffen.

Wenn mein UKOM mich wieder als ~DES~ Reisenden darstellte, wäre ich allen ihren Angriffen entzogen. Dann aber würde ich wieder von Massen hysterischer Jünger behindert werden. Blieb ich in der Identität des "unbekannten Privaten", hätte ich die GETUSEN weiter als Problem und müsste damit rechnen, das sie andere Wege fanden um mich vielleicht sogar zu töten. Die Lösung ist dann wieder ganz einfach gewesen. Mein UKOM sollte mich einfach mit einer neuen, dritten Identität als "unbekannten Privaten mit besonderen Berechtigungen" darstellen. Ich besaß so trotz meiner "Unbekanntheit" einen privilegierten Status, der mir für meine weiteren Nachforschungen damals unverzichtbar erschien.

Da den GETUSEN meine Wohnung bekannt seien dürfte, musste ich natürlich umziehen. Erst dachte ich daran, innerhalb des "Ruhe für Geist und Körper" zu einer neue Wohnung zu wechseln. Da ich damals aber noch nicht abschätzen konnte, in wieweit die GETUSEN einer UKOM Identität folgen konnten, beschloss ich, mich nach einem vollkommen neuen Hotel umzusehen. Heute weiß ich natürlich, dass dies gar nicht nötig gewesen wäre. Nach dem mein UKOM mich mit der zweiten Identität ausgestattet hatte, bin ich ja auch in der Wohnung geblieben, in die ich als ~DES~ Reisender eingezogen bin.

Keine zwei erdeStunden später zog ich schon in meine neue Unterkunft ein. Als neue Wohnung hatte mir der UKOM das Hotel "Kleine Freuden" ausgesucht. Ich hatte ihn beauftragt, nach einem Satelliten mit guter Ausstattung und unauffälligen Bewohnern zu suchen. Das Hotel stellte sich als Bestandteil einer großen Satellitenanlage heraus, die nicht um 003-006-NANROC, sondern in der Bahn des vierten Planeten um die Sonne 003 kreiste. Da Etahan mir gesagt hatte, das es auf der Oberfläche von 003-006-NANROC keine guten Hotels mehr gab, hatte ich den UKOM auch nicht danach suchen lassen. Das dass "Kleine Freuden" sehr viel weiter von 003-006-NANROC entfernt lag als mein "Ruhe für Geist und Körper" störte mich jetzt auch nicht mehr. So schnell hatte ich mich an diese Satellitenzivilisation gewöhnt.

Meine neue Wohnung besaß einen eigenen Anleger für Pendler, hatte dafür aber keinen Zugang zu öffentlichen Grünanlagen mehr. Eine Empfangshalle fehlte ebenso. Eigentlich bestand das gesamte Hotel aus einzelnen Wohneinheiten, die ohne spezielles Raster aufeinander getürmt und nur durch dünne Streben mit einem Ausläufer des Großsatelliten, von dem es ein Teil war, gehalten wurde. Es gab keine internen Verbindungen unter den einzelnen Wohneinheiten. Man reiste mit einem Pendler an, nachdem man den Bewohnungsvertrag über den UKOM abgeschlossen hatte. Unauffälliger als hier, konnte ich wohl nirgends sonst sein.

Ich hatte das erhebende Gefühl etwas Besonderes geleistet zu haben, als ich mich in den bequemen Liegesack meiner neuen Wohnung fallen ließ. Eigentlich hatte natürlich mein UKOM alles organisiert. Angefangen von der Abmeldung im "Ruhe für Geist und Körper" bis zur Anmeldung im "Kleine Freuden". Aber ich hatte ihn dazu veranlasst und dass empfand ich als eine große persönliche Leistung. In meinem Bewohnungsvertrag stand übrigens nichts von einer Finanziellen Bewertung. Was das anging, stellte mich mein UKOM als "unbekannten Privaten mit besonderen Berechtigungen" wohl als besonders "wertvoll" dar.

Die neue Wohnung ist der pure Luxus gewesen. Angefangen von den Formenergie Diensten bis zu Distanzraffern schien alles vorhanden sein. Die gesamte Wohnanlage - von einer einfachen Wohnung konnte hier eigentlich nicht mehr die Rede sein - bestand aus einer verwirrenden Ansammlung von Wohnsälen, Schlafkugeln, Wasserbecken, Grünanlagen und Rutschen. Treppen oder Verbindungsstege gab es hier nicht, nur eben diese Rutschen. Und es waren immer Rutschen, auch wenn ich in meine Schlafkugel zurück wollte, die über einem Wasserbecken hing. Nach einem erfrischenden Bad, in einem Becken mit richtigem Wasser, setzte ich mich einfach auf die, in das Wasser reichende Kante und "rutschte" einfach wieder hinauf. Die sanitären Anlagen meiner Unterkunft hätten auch von der exotischsten Lebensform benutzt werden können. Sie befanden sich in einem eigenen Ausleger, der über eine durchsichtige Röhre mit einem der Haupträume verbunden wurde. Es gab hier für mich keine Vergleichsmöglichkeiten mehr und hätte mir der UKOM nicht den Weg gewiesen, gefunden hätte ich diesen Körperdienst nicht. An diesem Luxus konnte ich mich allerdings nicht lange erfreuen. Etahan meldete sich am 8. Januar 1/2153 wieder bei mir an.

Das ich umgezogen war, schien ihn nicht weiter zerstören. Er sprach mit keinem einzigen Word über dieses Thema. Mit seinem Peiler hatte er im Eingangsbereich meiner neuen Unterkunft angelegt und sie ganz selbstverständlich betreten. Wir setzten uns in eine runde Erweiterung des Hauptwohnraumes, der einen weiten Ausblick auf die direkte Umgebung erlaubte. Vom freien Weltraum konnte ich natürlich nichts mehr sehen, dafür hingen zu viele Ausläufer des Großsatelliten in meinem Blickfeld. Man hatte hier aber doch das Gefühl, sich wie in einer Lebensblase zu befinden, die in einem Meer von Dunkelheit mit anderen Lebensblasen dahin driftete. Dieser Eindruck konnte entstehen, weil der Großsatellit nicht still stand. Viele Teile von ihm schienen ein Eigenleben zu besitzen und veränderten ständig ihre Lage. Die vielen ein- und ausfliegenden Peiler unterstützten diesen Eindruck noch. Hier in diese Erweiterung, in der Etahan und ich jetzt saßen und die eine vollkommen durchsichtige Kuppel, ohne sichtbare konstruktive Elemente besaß, begriff ich damals endlich meinen Auftrag als Reisender.

Ich will versuchen dieses entscheidende Gespräch mit Etahan nach zu erzählen. Für mich ist es der Beginn meiner gezielten Suche nach alten Wahrheiten gewesen.

Nach dem wir uns in die bequemen Liegesäcke gesetzt hatten, begann er mit der Frage:

"Sind sie mit unserem Besuch im Museum zufrieden gewesen?"

Er sprach sehr leise, was ich eigentlich nicht von ihm gewohnt war. Mein UKOM hatte immer verständlich übersetzt. Deshalb fiel mir seine Stimmlage diesmal sofort auf. Ich wurde aufmerksam.

"Ich habe nicht alles begriffen, wenn sie das meinen"

Ich schaute ihn direkt an und sah zum ersten Male bewusst in seine Augen.

"Es sollte auch nur eine leichte Einführung gewesen sein. Es gibt sehr viel genauere Unterlagen über unsere Kontakte mit ihren Urahnen".

Etahan hatte wieder sehr leise gesprochen, so dass ich mich vollkommen auf ihn konzentrieren musste um ihn zu verstehen.

"In einem öffentlichen Museum werden natürlich nur die wichtigsten Ereignisse dargestellt, eine Verinnerlichung muss der Besucher schon selbst durchführen".

Ich glaubte, so etwas wie einen leichten Tadel über mein Begriffsvermögen aus seinen Worten heraus zu hören.

"Ich kann mir vorstellen, dass sie ihre Geschichte vollkommen verinnerlicht haben".

Ich war fast ein bisschen aggressiv und erlaubte mir diesen Hinweis auf die Taarische Biologie. Etahan schlug die Augen auf und schaute mich jetzt direkt an.

"Wir sind, was wir wurden"

Er sprach so selbstverständlich, dass ich begann mich zu ärgern. Er gehörte ja auch einem Volk mit einer langen Geschichte an und konnte deshalb so selbstverständlich sein. Wir MENSCHEN dagegen sind als Volk gerade 130 erdeJahre alt. Uns fehlte ein geschichtliches "Werden", zumal wir von der Alten Menschheit nichts mehr wissen wollten. Hatte sie uns doch nur diese Ruinen hinterlassen. Aber ich stammte von ihnen ab, dass wurde mir in diesem Augenblick klar. Auch sie gehörten zu meiner Geschichte, ob ich wollte oder nicht und in diesem Moment wollte ich.

"Sie kennen die Erde schon seit langer Zeit. Warum haben sie uns eigentlich erst vor 130 erdeJahre offiziell besucht? Sind meine Vorfahren nicht entwicklungsfähig gewesen, weil sie noch im Werden waren oder gab es andere Gründe?"

"Es gab andere Gründe"

"Welche meinen sie"

In mir begann eine Neugier, die ich nicht mehr unterdrücken wollte und konnte. Was für Gründe konnte ein so mächtiges Volk wie die TAARER haben, über viele Dekaden hinweg regelmäßig bei uns vorbei zuschauen ohne sich zu erkennen zu geben?

"Ihre Vorfahren hatten etwas, was wir nicht wollten. Unsere Besuche in der Vergangenheit beschränkten sich einzig und alleine darauf, nachzusehen ob sie es immer noch hatten und sie haben es erst seit kurzer Zeit nicht mehr."

Zu erfahren dass meine Vorfahren etwas hatten, was die TAARER nicht wollten, überraschte mich. Und was hatte ich nicht, das meine Vorfahren besaßen? Wirkliche Vergleiche konnte ich damals eigentlich nicht ziehen, dazu wusste ich zu wenig von ihnen. Ich hatte mich nie für die Alte Menschheit interessiert, die uns nur eine heruntergewirtschaftete ERDE hinterlassen hatte und seit 2104 auch nicht mehr existierte. Weiter in die Vergangenheit bin ich natürlich auch nicht vorgestoßen - warum sollte ich auch. Die Zukunft erschien mir immer als sehr viel spannender. Die Vergangenheit endete für mich damals immer mit dem Ende der Alte Menschheit und von ihr wusste ich auch nur, das sie gierig gewesen ist - in allem was sie tat. War es diese Eigenschaft, die Etahan meinte, die sie nicht haben wollten? Aber das Gefühl von Gier besaß ich auch, manchmal.

"Erst jetzt ist es uns möglich gewesen, mit ihnen zu planen."

"Was hatten meine Vorfahren, das sie daran gehindert hat was zu planen?"

"Jede Lebensform hat seine besonderen Eigenschaften. Wir TAARER gingen immer davon aus, das uns nicht alle Fähigkeiten von unseren Erzeugern mitgegeben wurden. Immer sind wir auf der Suche nach neuen Eigenschaften, Fähigkeiten und Ideen anderer Völker gewesen, um von ihnen zu lernen. Aber das geht natürlich nur mit einer Zivilisation, die ihre Fähigkeiten auch erkannt und sie zur Profession entwickelt hat und zu nutzen weiß. Ihre Vorfahren haben das nie begriffen und verloren sich in ihren unendlichen Fähigkeiten, die sie dann auch nur sehr unvollkommen beherrschten. Dieses Fähigkeitenchaos war es, mit dem wir nichts anzufangen wussten. Immer wieder haben ihre Vorfahren ihren Heimatplaneten damit verwüstet. Unsere Besuche haben immer nur die endgültige Selbstzerstörung verhindert. Wir hofften, dass sie irgendwann einmal ihre Profession erkennen würden".

"Und seit einiger Zeit kennen wir unsere Fähigkeiten?" Ich war verblüfft, denn ich kannte sie nicht.

"Seit einiger Zeit kennen wir eure Fähigkeit. Sie muss jetzt nur noch zur Profession reifen und sie sind als ~DES~ Reisender ein Teil dieses Vorgangs."

Fast ein wenig aufgebracht, sprang ich auf und rannte unter der Kuppel umher.

"Ich ein Teil welches Vorganges? Meinen sie die Findung unserer Fähigkeiten oder ihre Entwicklung zur Profession? Und welche Fähigkeit ist eigentlich gemeint. Ich zumindest weis nichts davon".

"Im Gegenteil Bo Reeves /KEB /D1" Etahan blieb vollkommen ruhig in seinem Liegesack sitzen. "Sie sind der erste MENSCH, der diese Profession ausübt. Dafür sind sie gezeugt, ausgebildet und mit ~DES~ ausgestattet worden. Sie sollen reisen, suchen und lernen, stellvertretend für ihr Volk. Dabei werden sie ihre Profession erkennen und an andere MENSCHEN weitergeben. Das ist ihre Aufgabe".

So bekam ich also meinen ersten wirklichen Hinweis, auf das, was ich zu tun hatte. Auf der ERDE konnte es mir ja niemand gesagt haben, weil ich es ja war, der es ihnen sagen sollte. Ich bin damals, neben meinem Schock, auch irgendwie erleichtert gewesen. Ich wusste jetzt, dass ich reisen, suchen und lernen sollte. Und das schönste daran war, das es keine Vorgaben gab. Ich alleine konnte entscheiden, nach was ich suchen sollte. Etwas, was mich wirklich interessierte musste es schon sein und das ist in diesem Moment die Frage nach der Besonderen Beziehung gewesen, die wir MENSCHEN mit den TAARERN hatten.

Als ich Etahan damals ganz offen nach dieser Besonderen Beziehung fragte, antwortete er zu meiner Überraschung ausweichen, was eigentlich bis dahin nicht seine Art gewesen ist. Dieses Verhalten machte mich aber erst richtig neugierig und ich bedrängte ihn förmlich mit Fragen, die in diese Richtung gingen. Etahan wich einer Beantwortung immer wieder aus. So jedenfalls kam sein Verhalten damals bei mir an.

Ich musste andere Wege finde, um mir meine Fragen zu beantworten. So begann ich eine Übersicht zu entwickeln, die ich dann abarbeiten wollte. An die erste Stelle setzte ich natürlich unsere offizielle Entdeckung durch die TAARER, im Jahre 2030 und hier stieß ich auch schon auf die ersten Sonderheiten. Zu diesem Zeitpunkt existierten wir MENSCHEN noch gar nicht! Die TAARER hatten sich der Alte Menschheit zu Erkennen gegeben, obwohl sie gerade wieder einmal dabei war, sich und die ERDE zu zerstören.

Etwas stimmte nicht an dieser Geschichte. Etahan hatte angedeutet, das sie erst den Kontakt mit uns aufgenommen hatten, nachdem sie die Profession der MENSCHEN erkannt hatten und etwas anderes, was sie unter keinen Umständen haben wollten, verschwunden war. Aber damals, im Jahre 2030 gab es noch keine MENSCHEN. Es existierte nur die Alte Menschheit und die befand sich gerade in ihrer Endzeit.

In meiner Jugend auf der Insel Irland musste ich in einer Gruppe dieses Endzeitthema bearbeiten. Es ist mein erstes und einziges Projekt gewesen, was ich mit anderen Schülern zusammen ausgearbeitet habe. Ich kann mich deshalb noch so genau an diese Katastrophe erinnern, weil ein Mitschüler dabei, unter nicht geklärten Umständen umkam. Wir sind damals zu dem Ergebnis gekommen, das die Alte Menschheit, durch die von ihr verursachte Vergiftung der Erde, unfruchtbar geworden ist. Um das Jahr 2030 fiel das noch nicht so auf. Es existierten fast 7 Milliarden Personen und eigentlich ist man damals froh gewesen, dass seit 10 Jahren keine Kinder mehr auf natürlichem Wege geboren worden sind. Die damalige UN mussten dann aber einsehen, dass nur eine künstliche Zeugung ein endgültiges Aussterben ihrer Art verhindern konnte. Da es auf der vergifteten Erde nicht mehr möglich war, eine gesunde DNS zu entwickelt, baten sie die TAARER darum, diese Forschungen auf einer ihrer Welten durch zuführen. So kam es dann, dass unsere neue, gesunde DNS im System 081-FEEN entstanden ist. So jedenfalls steht es in unserem Zivilisationsarchiv.

Mir kam in diesem Moment ein erschreckender Gedanke. Hatten die TAARER vielleicht etwas nachgeholfen? Nicht bei der Unfruchtbarkeit der Alten Menschheit, dieser Gedanke kam mir damals überhaupt nicht. Das hatte sie schon selber verursacht. Ich meinte unsere Profession, die sie erkannt zu haben glaubten. Etahan sprach von "nötigen Korrekturen" die selbstverständlich mit Wissen der UN an unserer DNS vorgenommen worden seien. Genauere Unterlagen befänden sich im Genarchiv, im System 081-FEEN und das könnte ich ja nachprüfen. Über KOSMIC-LINK sind solche Informationen nicht verfügbar, deshalb hatte er, Etahan sogar die Reise zu diesem, nur 82 lichtJahre von 003-NANROC entfernten System vorbereitet.

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